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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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nach vorn gebeugt und ahmte jetzt auf allen vieren die fauchende Raubkatze nach: Seine Hände waren in den Teppich gekrallt, und er zeigte die Zähne.
    Nadia, die reglos neben ihm saß, begann mit einem Mal merkwürdige Laute von sich zu geben, eine Art Schnurren. Sofort wandte sich der Leopard zu ihr um, sein Schwanz peitschte den Boden, er streckte die Schnauze vor und beschnupperte Nadias Gesicht. Dann glaubten die Anwesenden, ihren Augen nicht zu trauen, denn plötzlich ließ er sich vor Nadia auf den Boden fallen, rollte sich auf den Rücken, und sie kraulte ihm furchtlos den hingestreckten Bauch und schnurrte dabei unablässig weiter.
    »Du kannst mit Tieren reden?«, richtete der König das Wort an Nadia.
    Für die verdatterten Gäste klang das, als wäre es in diesem Königreich nichts Besonderes, wenn einer mit Tieren reden konnte.
    »Manchmal«, antwortete Nadia.
    »Was hat der gute Tschewang denn? Eigentlich ist er immer höflich und folgsam.« Der König lächelte und sah milde auf seinen Leoparden hinunter.
    »Ich glaube, er hat sich nur vor dem Jaguar erschreckt.«
    Außer Alex und Kate verstand allerdings niemand, was sie damit meinte. Kate verdrehte unwillkürlich die Augen: Sie machten sich doch hier zum Narren, was sollte der König bloß denken von dieser Truppe losgelassener Irrer. Der Monarch schien sich jedoch über die Antwort seiner jungen Besucherin mit der honigfarbenen Haut keineswegs zu wundern. Er musterte bloß eingehend den jungen Amerikaner, der da wieder mit der Brille auf der Nase im Schneidersitz vor ihm saß. Einzig die Schweißperlen auf der Stirn des Jungen verrieten, dass er sich gerade ziemlich erschreckt hatte.
    Nadia legte einen der Seidenschals vor den Leoparden, und der nahm ihn behutsam ins Maul und legte ihn dem König zu Füßen. Dann machte er es sich wieder an seinem angestammten Platz auf dem Podest des Königs bequem.
    Der König wandte sich erneut an Nadia:
    »Mein Kind, kannst du denn auch mit Vögeln reden?«
    »Manchmal.«
    »Hier kann man bisweilen einige interessante Vögel sehen.«
    Das war maßlos untertrieben, aber zu prahlen galt im Reich des Goldenen Drachen als ein Zeichen sehr schlechter Erziehung, und der König, der sich mit Tieren und Pflanzen gut auskannte und selbstverständlich wusste, welche Schätze sein Land beherbergte, hätte sich niemals damit gebrüstet.
    Als sie später im Hotel sein Geschenk auspackten, sahen sie, dass es ein Fotoband über Vögel war. Wandgi erklärte ihnen, der König selbst habe die Bilder gemacht, dennoch sei sein Name nirgends erwähnt, denn das hätte man als einen Hinweis auf Eitelkeit gewertet.
    ~
    Nun drehte sich die Unterhaltung um die Sehenswürdigkeiten und die prächtige Natur im Reich des Goldenen Drachen. Den Gästen fiel auf, dass sich alle sehr vage ausdrückten. Es gab kaum einen Satz ohne die Wörter vielleicht und möglicherweise , dadurch vermied man jede eindeutige Festlegung, die zu scharfenWortwechseln hätte führen können. Den Gesprächspartnern blieb immer ein ehrbarer Ausweg für den Fall, dass sie an einem Punkt unterschiedlicher Auffassung waren.
    Judit Kinski schien sehr viel über die einzigartige Tier- und Pflanzenwelt der Gegend zu wissen. Damit hatte sie die Zuneigung des Königs und seines gesamten Hofstaats gewonnen, denn einer solchen Kenntnis des Landes begegneten sie bei Ausländern höchst selten.
    »Es ist uns eine Ehre, in unserem Land eine Expedition des International Geographic empfangen zu dürfen«, sagte der König, als das Gespräch dem Ende zuging.
    »Die Ehre ist ganz die unsere, Majestät«, antwortete Kate Cold. »Wir wissen, dass man in diesem Königreich der Natur eine Achtung entgegenbringt, die auf der Welt ihresgleichen sucht.«
    »Schaden wir der Natur, so müssen wir die Folgen tragen. Nur ein Narr würde etwas Derartiges tun. Ihr Reiseführer, Wandgi, kann Sie geleiten, wohin Sie auch immer reisen möchten. Vielleicht haben Sie den Wunsch, die Tempel oder die Dzongs, die Klosterburgen, zu besuchen, wo die Mönche Sie möglicherweise als Gäste aufnehmen und Ihnen erklären, was Sie zu wissen wünschen.«
    Allen fiel auf, dass er Judit Kinski dabei nicht ansprach, und sie vermuteten, dass er ihr die Schönheit seines Landes höchstpersönlich zeigen wollte.
    Das Gespräch war zu Ende, und eigentlich blieb nur noch, sich zu bedanken und zu verabschieden. Da ließ Kate sich zum ersten Mal zu einer Taktlosigkeit hinreißen. Sie konnte nicht anders, sie musste

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