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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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traditionellen Gruß. Sie war schlank und gerade gewachsen wie ein Bambusrohr; in ihren großen Augen funkelte der Schalk, und ihre Haut schimmerte wie Elfenbein in dem weichen Licht der Straßenlaternen. Das schwarze Haar floss ihr sanft über die Schultern und den Rücken. Auch Pema trug, wie alle anderen Leute, die sie gesehen hatten, die Nationaltracht. Die Kleidung der Frauen unterschied sich kaum von der der Männer, alle trugen einen Rock oder Sarong und dazu eine Jacke oder Bluse.
    Nadia und Pema bestaunten einander stumm. Hier das Mädchen aus dem Herzen Südamerikas, mit Federn im Haar und einem schwarzen Äffchen auf der Schulter, dort diese Jugendliche, die sich mit der Anmut einer Balletttänzerin bewegte und zwischen den höchsten Bergen der Erde zu Hause war. Die beiden mochten sich auf Anhieb.
    »Falls Sie es wünschen, kann Pema dem Mädchen und dem Mütterchen vielleicht morgen zeigen, wie man einen Sarong trägt«, druckste Wandgi unsicher.
    Bei dem Wort Mütterchen zuckte Alex zusammen, aber Kate blieb völlig cool. Ihre und Nadias kurze Hosen mussten wohl sehr anstößig wirken, wenn der zurückhaltende Wandgi es wagte, einen solchen Vorschlag zu machen.
    »Das wäre sehr freundlich, herzlichen Dank …« Jetzt faltete Kate ihrerseits die Hände vorm Gesicht und verneigte sich.
    ~
    Todmüde kamen die Reisenden schließlich im Hotel an, dem einzigen in der Hauptstadt und im ganzen Land. Die wenigen Touristen, die die Dörfer im Landesinneren besuchten, übernachteten bei den Bauern, von denen sie immer freundlich aufgenommen wurden. Niemandem wurde die Gastfreundschaft verwehrt. Alex und die beiden Fotografen schleppten ihr Gepäck in das eine, Kate und Nadia ihre Sachen in das andere der beiden Zimmer, die für die Gruppe reserviert worden waren. Verglichen mit dem Pomp im Maharadschapalast, wirkten die Hotelzimmer hier eher wie Klosterzellen. Ungewaschen und in voller Montur ließen sich alle auf die Betten fallen und schliefen fast sofort ein, erwachten allerdings kurze Zeit später wieder, steif vor Kälte. Es war schlagartig bitterkalt geworden. Sie kramten nach ihren Taschenlampen und fanden in einer Ecke des Zimmers ordentlich aufgeschichtet einen Stapel dicker Wolldecken, so dass sie warm eingemummelt weiterschlafen konnten, bis sie im Morgengrauen vom dunklen Dröhnen der schweren Langhörner geweckt wurden, mit denen die Mönche zum Gebet riefen.
    Wandgi und Pema erwarteten sie mit der guten Nachricht, der König wolle sie am Nachmittag empfangen. Sie frühstückten ausgiebig, tranken Tee, aßen Gemüse und Reisbällchen nach Landessitte mit drei Fingern der rechten Hand und ließen sich unterdessen von ihrem Reiseführer den protokollarischen Ablauf des Besuchs im Palast erklären.
    Zunächst musste für Nadia und Kate angemessene Kleidung gekauft werden. Die Männer sollten Jacken tragen. Der König war ein verständiger Mann und würde sicher einsehen, dass ihn die Expeditionsteilnehmer in ihrer Arbeitskleidung besuchten, aber auf keinen Fall durften sie ihm gegenüber den Respekt vermissen lassen. Wandgi erklärte ihnen, wie die Katas, die Zeremonienschals, getauscht wurden, dass sie sich an die Stelle, die ihnen zugewiesen wurde, hinknien sollten, bis sie aufgefordert wurden, sich zu setzen, und dass sie das Wort nicht an den König richten sollten, ehe der sie ansprach. Falls man ihnen etwas zu essen oder Tee anbot, sollten sie dreimal dankend ablehnen und dann langsam und schweigend essen, um ihre Achtung gegenüber den Speisen auszudrücken. Es galt als unhöflich, während des Essens zusprechen. Borobá sollte vorsichtshalber bei Pema bleiben. Wandgi wusste nicht, was das Protokoll in Bezug auf Affen vorsah.
    Kate Cold schaffte es, ihren Laptop an eine der Telefondosen des Hotels anzuschließen, und konnte so Nachrichten an den International Geographic und an Professor Leblanc schicken. Der Kerl war zwar nicht ganz richtig im Kopf, aber man musste zugeben, dass er auch eine unerschöpfliche Informationsquelle war. Kate fragte ihn nach der Ausbildung der Könige und nach den Geschichten über den Goldenen Drachen. Es dauerte nicht lange, da bekam sie eine vermutlich erschöpfende Antwort in Form einer seitenlangen Bleiwüste und beschloss, die Lektüre auf später zu verschieben.
    Pema begleitete Kate und Nadia zu einem Laden, in dem Sarongs verkauft wurden, und jede der beiden kaufte sich drei, denn falls es regnete, mussten die Röcke Zeit zum Trocknen haben. Sie hatten einige

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