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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Mühe damit, den Stoff richtig zu wickeln und ihn dann mit den Schärpen festzubinden. Erst saß er zu eng, und sie konnten keinen Schritt gehen, dann hing er so schlabberig an ihren Hüften, dass sie bei der kleinsten Bewegung im Freien standen. Nadia hatte die Technik nach ein paar Versuchen heraus, aber Kate war in dem Sarong ähnlich beweglich wie eine bandagierte Mumie. Sie konnte sich nicht hinsetzen und trippelte darin vorwärts wie eine Gefangene in Fußfesseln. Alex und die Fotografen konnten sich vor Lachen nicht halten, als sie sahen, wie Kate leise fluchend und hustend versuchte, ihre verhedderten Füße zu sortieren.
    ~
    Mit seinen über tausend Räumen, die sich auf drei ober- und zwei unterirdische Stockwerke verteilten, war der Königspalast das größte Gebäude von Tunkhala. Er lag strategisch günstig auf einem steilen Hügel, der durch einen kurvigen, von Gebetsfahnen an langen, biegsamen Bambusstangen flankierten Weg mit der Stadt verbunden war. Im Baustil unterschied sich der Palast kaum von den übrigen Gebäuden in Tunkhala, wo selbst die einfachsten Wohnhäuser schmuck anzusehen waren, nur dass sich sein rotes Ziegeldach über mehrere Ebenen erstreckte und jeder Giebel voneinem Fabelwesen aus sehr alter Keramik gekrönt war. Die Balkone, Türen und Fensterrahmen waren mit Mustern in leuchtenden Farben bemalt.
    Soldaten in rotgelben Gewändern und langen Felljacken hielten am Eingang Wache. Sie trugen Helme mit Federbusch und waren mit Schwertern und Pfeil und Bogen bewaffnet. Wandgi erklärte, die Wachen dienten bloß der Verschönerung; das richtige Militär benutze moderne Waffen. Er erzählte ihnen, dass der Bogen die traditionelle Waffe im Verbotenen Reich und Bogenschießen ein echter Volkssport sei. An den jährlich stattfindenden Wettkämpfen nahmen alle, sogar der König, teil.
    Zwei prächtig gekleidete Hofbeamte empfingen die Besucher und geleiteten sie durch mehrere Säle, die nur mit einigen niedrigen Tischen, großen, bunt bemalten Holztruhen und Stapeln runder Sitzkissen eingerichtet waren. Hier und da sahen sie religiöse Statuen, vor denen Kerzen brannten und Opferschalen voller Reis und Blütenblätter standen. Einige Wände waren bemalt, aber mancherorts war die Farbe mit den Jahren verblasst, so dass man kaum noch etwas von den Bildern erkennen konnte. Hier und da waren Mönche mit Pinseln, Farbtöpfchen und hauchdünnen Streifen Blattgold damit beschäftigt, die Malereien geduldig auszubessern. An vielen Wänden hingen auch prächtige Teppiche aus Seide und Satin.
    Auf die Säle folgten lange Flure mit Türen zu beiden Seiten, hinter denen Dutzende von Staatsdienern und Mönchen mit Schreiben beschäftigt waren. Computer hatte man hier noch nicht eingeführt; alle Informationen für die öffentliche Verwaltung wurden von Hand in Hefte notiert. Einer der Räume diente als Orakelzimmer. Wenn sie nicht mehr weiter wussten, suchten die Bewohner des Verbotenen Reichs hier bei bestimmten Lamas und Nonnen Rat, die über die Fähigkeit zum Weissagen verfügten. Die Buddhisten im Reich des Goldenen Drachen glaubten daran, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg zur Erlösung finden muss, allen Wegen gemeinsam jedoch das Mitleid mit allem Lebendigen ist. Dieser Glaube wollte aber auch gelebt sein. Und manchmal brauchte man dafür jemanden, der einem auf die Sprünge half, einen leitete oder einem die Zukunft vorhersagte, damit man dem eigenen Weg eine neue Wendung geben oder zügiger voranschreiten konnte.
    Die Besucher waren in einem weiten Saal mit schmucklosen Wänden angekommen, in dessen Mitte eine vergoldete Buddhastatue aus Holz aufragte, die so groß war, dass der Kopf die Decke berührte. Sie hörten Musik und dachten erst, jemand spiele auf einer Mandoline, bis sie sahen, dass am Fuß der Statue eine Gruppe singender Mönche saß. Der Singsang wurde immer lauter und kraftvoller. Dann fiel die Melodie unvermittelt ab, und der Rhythmus änderte sich. Vor der gewaltigen Statue lag ein Gebetsteppich, Kerzen brannten, und sie sahen Schalen mit glimmendem Weihrauch und Körbe mit Opfergaben. Die Besucher folgten dem Vorbild der Hofbeamten, gingen vor der Buddhastatue auf die Knie und berührten drei Mal mit der Stirn den Boden.
    Der König empfing sie im nächsten Saal, einem schlichten, rechteckigen Raum, an dessen Wänden Teppiche mit Szenen aus dem Leben Buddhas und Masken für Feste hingen. Man hatte den ausländischen Besuchern, die es nicht gewöhnt waren, auf dem Boden zu

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