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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sitzen, etwas Gutes tun wollen und fünf Stühle aufgestellt.
    Nadia und Alex staunten über den Drachen auf dem Wandteppich hinter dem König, denn er sah haargenau so aus wie die zierlichen geflügelten Drachen, die sie auf ihrer Reise in die Stadt der wilden Götter gesehen hatten. Damals hatten sie gedacht, diese Tiere seien die letzten einer Art, die vor vielen tausend Jahren im Amazonasgebiet heimisch gewesen war. Doch dieser Teppich bewies, dass es solche Drachen auch einmal in Asien gegeben haben musste.
    Der König trug das gleiche Mönchsgewand wie am Vortag, zusätzlich aber eine sonderbare Kopfbedeckung, eine Art Helm aus Stoff. Vor seiner Brust hing das Medaillon, das seine Königswürde symbolisierte, eine sehr alte, mit Korallen besetzte Scheibe aus Gold. Er saß im Lotossitz auf einem etwa fünfzig Zentimeter hohen Podest.
    In Katzenmanier hingestreckt, hatte neben dem König ein prächtiger Leopard gelegen, der sich sofort mit gespitzten Ohren aufgesetzt hatte, als die Besucher näher traten, und jetzt mit gefletschten Zähnen Alex anstarrte. Der König legte ihm die Hand auf den Rücken, was das Tier etwas zu beruhigen schien, aber der Blick seiner schmalen Pupillen ließ Alex keinen Moment los.
    Auf der linken Seite des Raumes saßen und standen etliche Würdenträger, pompös herausgeputzt in ihren edlen, gestreiften Gewändern, bestickten Westen und Hüten, die mit großen Goldblättern verziert waren, wobei allerdings die italienischen Schuhe und schwarzen Aktenkoffer nicht so recht ins Bild passen wollten. Ihnen gegenüber saßen eine Reihe Mönche in dunkelroten Umhängen. Gleich neben dem König standen drei junge Frauen und zwei junge Männer, alle hoch gewachsen und mit ernsten Gesichtern; bestimmt fünf von seinen neun Kindern, dachten die Besucher.
    Genau wie Wandgi ihnen aufgetragen hatte, setzten sie sich nicht auf die Stühle, denn sie durften nicht mit dem König auf einer Höhe Platz nehmen; also knieten sie sich auf die kleinen Wollteppiche, die vor dem Podest lagen.
    Nachdem die Katas getauscht und einige festgelegte Begrüßungsformeln gesprochen waren, warteten die Besucher auf ein Zeichen des Königs, um sich auf den Teppichen hinzusetzen, Alex und die Fotografen im Schneidersitz, Nadia und Kate mit seitlich angewinkelten Beinen. Kate wand sich in ihrem Sarong und wäre beinahe über den Boden gekugelt. Der König und sein Hofstaat verkniffen sich mit Mühe das Lachen.
    Bevor die Unterhaltung begann, wurden Tee, Walnüsse und einige merkwürdige, mit Salz bepuderte Früchte angeboten, und die Besucher griffen zu, nachdem sie drei Mal abgelehnt hatten. Dann war es Zeit für die Geschenke. Kate gab Timothy Bruce und Joel González einen Wink, und die beiden robbten auf den Knien nach vorn, um dem König eine Kiste mit dem ersten Jahrgang des International Geographic zu überreichen, mit den zwölf Ausgaben aus dem Jahr 1888, und als Dreingabe eine Seite eines Originalmanuskripts von Charles Darwin, die der Herausgeber der Zeitschrift wie durch ein Wunder in einem Londoner Antiquariat aufgetrieben hatte. Der König bedankte sich und reichte ihnen ein in ein Tuch eingeschlagenes Buch. Wandgi hatte ihnen gesagt, man dürfe Geschenke nicht gleich auspacken, denn das galt als ein Zeichen von Ungeduld und wurde nur Kindern nachgesehen.
    Timothy Bruce nahm das Päckchen eben entgegen, als ein Beamter Judit Kinski ankündigte. Jetzt begriffen die fünf Besucherauch, warum sie die Frau am Morgen nicht im Hotel gesehen hatten: Sie wohnte im Königspalast. Sie grüßte mit einer leichten Neigung des Kopfes und setzte sich neben die anderen auf den Boden. Sie trug ein schlichtes Kleid, die Lederhandtasche, von der sie sich offensichtlich nie trennte, über der Schulter, und außer einem breiten, aus geschnitzten Knochen zusammengesetzten afrikanischen Armreif keinerlei Schmuck.
    Da plötzlich sprang Tschewang, der Leopard des Königs, der sich die ganze Zeit ruhig verhalten und alles aufmerksam beobachtet hatte, mit einen Satz vom Podest herunter, baute sich vor Alex auf und zog die Lefzen zu einer bedrohlichen Grimasse zurück, so dass man seine messerscharfen Reißzähne sehen konnte. Erschrocken starrten die Anwesenden ihn an, und zwei Wachen traten vor, um den Leoparden zu packen, aber der König gebot ihnen durch eine Handbewegung Einhalt und rief das Tier zu sich. Der Leopard drehte den Kopf kurz nach ihm um, gehorchte aber nicht.
    Unwillkürlich hatte Alex die Brille abgenommen, sich

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