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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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einfach ohne Umschweife nach dem Goldenen Drachen fragen. Das Schweigen im Saal war so frostig, dass es einen schauderte. Die Würdenträger standen stocksteif, und vom Gesicht des Königs war das freundliche Lächeln gewichen. Die Stille wurde quälend, bis Judit Kinski es schließlich wagte, etwas zu sagen:
    »Entschuldigen Sie unsere ungebührliche Neugier, Majestät. Uns sind die Gepflogenheiten Ihres Landes nicht gut vertraut; ich hoffe, Sie empfinden Frau Colds Frage nicht als Beleidigung … In der Tat hat sie für uns alle gesprochen. Genau wie die Reporter des International Geographic brenne auch ich darauf, mehr über die Legende des Goldenen Drachen zu erfahren.« Ihre kastanienbraunen Augen ruhten auf dem König.
    Mit sehr ernster Miene erwiderte der König ihren Blick, als versuche er, ihre Absichten zu erforschen, und schließlich lächelte er. Sofort war das Eis gebrochen, und alle trauten sich wieder, normal zu atmen.
    »Den heiligen Drachen gibt es wirklich, er ist nicht bloß eine Legende, Sie werden ihn allerdings nicht sehen können, bedaure.« Diesmal drückte sich der König mit einer Klarheit aus, die er bisher vermieden hatte.
    »Irgendwo habe ich gelesen, die Statue befinde sich außerhalb des Landes, in einem befestigten Kloster in Tibet. Ich frage mich, was nach dem Einmarsch der Chinesen aus ihr geworden ist …«, hakte Judit Kinski nach.
    Kate dachte, dass niemand sonst sich erdreistet hätte, weiter bei diesem Thema zu bleiben. Judit Kinski strotzte wirklich vor Selbstvertrauen und setzte voll auf den Eindruck, den sie auf den König gemacht hatte.
    »Der Goldene Drache steht für den Geist unseres Landes. Er hat das Königreich nie verlassen«, antwortete der König.
    »Verzeihen Sie, Majestät, meine Information war falsch. Natürlich verwahren Sie ihn hier im Palast, in Ihrer Nähe.«
    »Vielleicht.« Der König stand auf zum Zeichen, dass die Unterhaltung beendet war.
    Die Besucher erhoben sich ebenfalls und verließen unter tiefen Verbeugungen rückwärts den Saal, bloß Kate hatte sich derart in ihrem Sarong verheddert, dass ihr schließlich nichts anderes einfiel, als ihn bis über die Knie zu raffen und der Saaltür entgegenzustolpern, wobei sie dem König den Rücken zukehrte.
    Tschewang folgte Nadia bis zum Ausgang des Palastes, drückte ihr die warme Schnauze in die Hand, ließ Alex jedoch keinen Moment aus den Augen.
    »Nicht hingucken, Jaguar. Er ist ziemlich eifersüchtig auf dich …«, lachte Nadia.

ACHTES KAPITEL
Mädchenraub
    Der Sammler schreckte aus dem Schlaf, weil das Telefon auf seinem Nachttisch klingelte. Es war zwei Uhr morgens. Nur drei Menschen kannten die Nummer dieses Apparats: sein Arzt, der Boss seines persönlichen Sicherheitsdienstes und seine Mutter. Dieses Telefon hatte seit Monaten nicht geklingelt. Der Sammler hatte weder seinen Arzt noch den Boss seines Sicherheitsdienstes gebraucht. Und was seine Mutter anging, so war die gerade in der Antarktis und fotografierte Pinguine. Die alte Dame verbrachte ihren Lebensabend an Bord diverser Luxusliner, die sie in einer immerwährenden Reise kreuz und quer über die Meere der Welt schipperten. Machte ihr Dampfer in irgendeinem Hafen fest, erwartete sie am Kai schon ein Angestellter mit dem Ticket für die nächste Kreuzfahrt. Ihr Sohn hatte herausgefunden, dass er sie auf diese Weise bei Laune halten konnte und nicht zu sehen brauchte.
    »Woher haben Sie diese Nummer?«, schnaubte der zweitreichste Mann der Welt, als er trotz des Stimmenverzerrers erkannte, wer ihn da mitten in der Nacht störte.
    »Geheimnisse aufzudecken ist Teil meiner Arbeit«, entgegnete der Spezialist.
    »Irgendwas Neues?«
    »Bald werden Sie das Gewünschte in Ihrer Gewalt haben.«
    »Weshalb belästigen Sie mich dann?«
    »Weil Sie wissen sollten, dass Ihnen der Goldene Drache nichts nützt, wenn Sie ihn nicht gebrauchen können«, sagte der Spezialist.
    »Dafür habe ich schließlich das Pergament übersetzen lassen, das ich diesem chinesischen General abgekauft habe.«
    »Glauben Sie im Ernst, etwas derart Wichtiges und Geheimes steht einfach auf einem Stück Papier? Der Text ist verschlüsselt.«
    »Dann knacken Sie den Code! Dafür bezahle ich Sie schließlich.«
    »Falsch«, entgegnete die verzerrte Stimme des Spezialisten kühl.»Sie bezahlen mich dafür, dass ich dieses Objekt besorge, und für sonst gar nichts. Mehr war nicht vereinbart.«
    »Wenn ich die Gebrauchsanweisung nicht benutzen kann, interessiert mich der Drache

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