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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Aufnahmegerät abspielte. Der sonst eher schüchterne Alex war durch seinen gerade errungenen Erfolg in einer so ausgelassenen Stimmung, dass er aufstand und dem staunenden Publikum vorführte, wie bei ihm zu Hause getanzt wurde. Als dann auch noch Borobá anfing, Alexanders frenetisches Gehopse bis zur Perfektion nachzuahmen, konnten sich die Studenten das Lachen endgültig nicht mehr verkneifen. Schließlich war die »Konferenz« beendet, und unter den Blicken ihrer fassungslosen Professoren begleiteten Scharen von Studenten die Besucher bis zum Ausgang des Parks und tanzten und sangen dabei genau wie Alex.
    »Wie können die so schnell diese Stücke singen, wenn sie sie erst einmal gehört haben?« Kate war voller Bewunderung.
    »Die Studenten hören seit Jahren Musik aus Amerika, Mütterchen«, erklärte Wandgi lachend. »Zu Hause tragen sie auch Jeans, genau wie bei Ihnen. Man schmuggelt sie aus Indien ins Land.«
    Zähneknirschend hatte Kate sich mittlerweile damit abgefunden, dass ihr Reiseführer sie »Mütterchen« nannte. Damit drückte er seinen Respekt ihr gegenüber aus, es war die höfliche Anrede für ältere Frauen. Nadia und Alexander wiederum sollten Wandgi mit »Onkel« und Pema mit »Cousine« ansprechen.
    »Vielleicht möchten die verehrten Gäste, so sie nicht zu erschöpft sind, ein typisches Abendessen in Tunkhala erleben …«, sagte Wandgi und schlug etwas verlegen die Augen nieder.
    Eigentlich waren die verehrten Gäste fix und fertig, aber eine solche Gelegenheit durften sie sich nicht entgehen lassen. So beendeten sie diesen langen Tag im Haus ihres Reiseführers, das wie die meisten Gebäude von Tunkhala zweistöckig war und mit seinen weiß getünchten Ziegelmauern und den reich mit Blumen undbunten Vögeln bemalten Holzbalken wie eine Miniaturausgabe des Königspalastes aussah. Es war unmöglich herauszufinden, wer eigentlich zur engeren Familie von Wandgi gehörte, denn ständig kamen Leuten herein, die samt und sonders als Onkel, Tante, Bruder, Schwester, Cousine oder Cousin vorgestellt wurden. Nachnamen gab es keine. Neugeborenen wurden von den Eltern zwei oder drei Namen gegeben, damit man sie von den anderen unterscheiden konnte, aber jeder durfte sich in seinem Leben so oft umbenennen, wie er wollte. Nur die Mitglieder der Königsfamilie besaßen auch einen gemeinsamen Namen.
    Pema, ihre Mutter und etliche Tanten und Cousinen trugen das Essen auf. Alle hatten auf dem Boden um einen niedrigen runden Tisch herum Platz genommen, auf dem nun ein wahrer Berg aus rotem Reis, Getreide und verschiedenen in Gewürzen und scharfem Chili eingelegten Gemüsesorten aufgeschichtet wurde. Dann kamen die Leckereien, die extra zu Ehren der ausländischen Gäste zubereitet worden waren: Yakleber, Schafslunge, Schweinefüße, Ziegenaugen und Blutwürste, die mit solchen Unmengen von rotem Pulver gewürzt waren, dass den Gästen schon vom Geruch die Tränen in die Augen schossen und Kate einen Hustenanfall bekam. Es wurde mit der Hand gegessen, indem man erst kleine Kügelchen formte, und die Höflichkeit gebot, sie zunächst den Gästen anzubieten.
    Es fehlte nicht viel, und Alex und Nadia hätten beim ersten Bissen laut aufgeschrien: Wie konnte etwas nur derart scharf sein? Es brannte, als hätten sie sich glühende Kohlen in den Mund geschoben. Zwischen zwei Hustern raunte Kate ihnen zu, sie sollten ihre Gastgeber nicht vor den Kopf stoßen, aber die wussten nur zu gut, dass für einen Ausländer das Essen im Verbotenen Reich ungenießbar ist. Sie kugelten sich vor Lachen und trommelten mit Füßen und Händen auf den Boden, während Alex und Nadia das Wasser aus den Augen schoss.
    Mit einem perlenden Lachen reichte Pema ihnen Tee, um den Brand zu löschen, und zeigte auf einen Teller mit dem gleichen Gemüse, allerdings ohne die scharfen Gewürze. Alex und Nadia warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Am Amazonas hatten sie gegessen, was man ihnen vorsetzte, sei es nun gegrillte Schlangeoder Toteindianerknochensuppe. Und jetzt sollten sie einfach so klein beigeben? Sie dankten mit vor dem Gesicht gefalteten Händen und einer Neigung des Kopfes, dann formte sich jeder der beiden noch einmal so eine Glutkugel und stopfte sie sich mit Todesverachtung in den Mund.
    ~
    Am nächsten Tag sollte ein religiöses Fest gefeiert werden, das mit dem Vollmond und dem Geburtstag des Königs zusammenfiel. Seit Wochen bereitete sich das ganze Land auf dieses Ereignis vor. Alle Bewohner Tunkhalas waren auf den

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