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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Aufgabe, denn wie sollte man in dem schroffen Gelände mit seinen subtropischen Wäldern jemanden finden. Schon bald wurde das, was zuerst nur ein Rumoren gewesen war, lauter, baute sich zu einer Flutwelle auf und riss in einem panischen Schrei die ganze Stadt mit: Die Skorpione! Die Skorpione!
    Zwei Bauern, die nicht auf dem Fest gewesen waren, schworen, sie hätten Reiter gesehen, die im Galopp die Berge hinauf geprescht waren. Die Hufeisen hätten auf dem Geröll Funken geschlagen, ihre schwarzen Umhänge hätten im Wind geflattert, und im gespenstischen Licht des Feuerwerks hätten sie ausgesehen wie böseGeister. Kurze Zeit später fand eine Familie auf dem Heimweg in ihr Dorf eine lederne Feldflasche voller Schnaps und übergab sie der Polizei. Ein Skorpion war darauf eingebrannt.
    Wandgi war nicht mehr er selbst. Er kniete weinend am Boden, das Gesicht in den Händen vergraben, während seine Frau wie unter Schock neben ihm stand und mit tränenlosen Augen ins Leere starrte.
    »Die Skorpione, das ist dieselbe Sekte wie in Indien, oder?«, fragte Alex leise.
    »Die Blauen Krieger!«, schluchzte Wandgi. »Mein armes Kind, ich sehe Pema nie mehr wieder.«
    Nach und nach wurde den Reisenden des International Geographic die Tragweite der Nachricht klar. Diese gewalttätigen Nomaden waren dafür bekannt, dass sie im Norden Indiens wehrlose Dörfer überfielen und Mädchen raubten, die sie zu ihren Sklavinnen machten. Eine Frau war bei ihnen weniger wert als ein Messer, schlimmer als Vieh wurden die Mädchen behandelt, sie wurden in Höhlen gefangen gehalten und missbraucht.
    Brachten sie ein Kind zur Welt und war es ein Mädchen, wurde es sofort getötet, war es aber ein Junge, so ließen sie ihn der Mutter, bis er drei Jahre alt war, und nahmen ihn ihr dann weg, um ihn für sein Leben als Krieger zu trainieren. Den Kindern wurden Skorpione auf die nackte Haut gesetzt, um sie gegen das Gift abzuhärten, und bis sie halbwüchsig waren, konnten sie Bisse von Schlangen und Spinnentieren überleben, die für jeden anderen Menschen das sichere Aus bedeutet hätten.
    Die wenigsten Mädchen überlebten die Gefangenschaft lang, sie starben an Krankheit oder wurden umgebracht, wenn sie es aber schafften, zwanzig Jahre alt zu werden, galten sie als unbrauchbar, wurden von den Skorpionkriegern laufen gelassen und durch andere geraubte Mädchen ersetzt. So ging das immer weiter. Auf den Landstraßen Nordindiens konnte man manchmal diesen zerlumpten, irregewordenen Frauen begegnen, die um etwas zu essen bettelten. Keiner nahm sich ihrer an, denn alle hatten Angst vor der Skorpionsekte.
    »Und die Polizei tut nichts dagegen?« Alex war kreidebleich geworden.
    »Wo das passiert, gibt es keine Polizei, und die Leute sind arm und können sich nicht wehren«, sagte Wandgi. »Sie leben in Angst und Schrecken und trauen sich nicht, gegen die Blauen Krieger vorzugehen, weil sie glauben, dass die teuflische Kräfte besitzen und eine Skorpionplage über die Dörfer schicken können, die alle umbringen würde. In die Hände der Skorpionsekte zu fallen ist das Schlimmste, was einem Mädchen passieren kann. Einige Jahre lebt sie wie ein Tier, muss mit ansehen, wie ihre Töchter umgebracht werden, die Söhne werden ihr weggenommen, und wenn sie das alles überlebt, erwartet sie ein Dasein als Bettlerin«, erklärte ihnen Wandgi und auch, dass diese Bande von Räubern und berufsmäßigen Mördern alle Pässe im Himalaja kannte, die Grenzen nach Belieben überquerte und immer nachts angriff. Sie waren lautlos wie Schatten.
    »Sind sie jemals im Verbotenen Reich gewesen?« Noch undeutlich hatte Alex das Gefühl, dass etwas an dieser Sache nicht zusammenpasste.
    »Nein, noch nie. Nur in Nepal und Indien«, antwortete Wandgi.
    »Wieso haben sie diesen weiten Weg gemacht? Ich frage mich, warum sie in eine Stadt wie Tunkhala gekommen sind, das ist doch riskant. Noch dazu an einem Festtag, wenn die Stadt voller Menschen ist, und Polizei gibt es hier doch auch.«
    »Wir gehen auf der Stelle zum König«, entschied Kate. »Er muss alles aufbieten, was er hat.«
    Ihr Enkel dachte an Tex Gürteltier und die schurkigen Kerle, mit denen er sich im Roten Fort getroffen hatte. Was hatte dieser Typ mit der ganzen Sache zu tun? Was war auf der Landkarte, die sie gesehen hatten?
    Er wusste nicht, wo er anfangen sollte, nach Aguila zu suchen, aber eins stand fest: Er würde jeden Stein im ganzen Himalaja umdrehen, wenn es nötig war. Er versuchte, sich nicht zu

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