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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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denn bestimmt war bereits die Polizei ausgerückt, um zu Land und aus der Luft nach ihnen zu suchen.
    Ein Wimmern empfing Nadia und Pema, aber als sich die Aufpasserin mit erhobener Peitsche über die gefangenen Mädchen beugte, erstarb es sofort, und sie hielten schützend die Arme vors Gesicht. Nadia und Pema blieben dicht beieinander.
    Kaum fühlte sich Nadia für einen Moment unbeobachtet, hüllte sie Pema in ihre Jacke und flüsterte ihr ins Ohr, sie solle bloß den Mut nicht verlieren, irgendwie würden sie schon einen Weg aus dieser Hölle finden. Pema zitterte vor Kälte, aber ansonsten war sie jetzt vollkommen gefasst; in ihren schönen schwarzen Augen, die Nadia immer nur heiter gesehen hatte, standen Mut und Entschlossenheit. Nadia drückte Pemas Hand, beide waren froh, hier nicht allein zu sein.
    Einer der Skorpionkrieger starrte Pema schon die ganze Zeit an. Jetzt machte er ein paar Schritte auf sie zu und baute sich mit einer Hand am Dolchgriff vor ihr auf. Wie alle anderen trug auch er eine schmutzstarrende, dunkle Tunika und einen speckigen Turban, sein Bart war verfilzt, seine Haut schwarzblau verfärbt und seine Zähne dunkel vom Betel, aber er hatte etwas Autoritäres an sich, und die anderen kuschten vor ihm. Offensichtlich hatte er hier das Sagen.
    Pema rappelte sich hoch und hielt seinem grausamen Blick stand. Er streckte die Hand aus und betatschte ihr langes Haar, das wie Seide durch seine verdreckten Finger glitt. Es verströmte einen schwachen Duft nach Jasmin. Der Mann schien verwirrt zu sein, fast bewegt, als hätte er noch nie in seinem Leben etwas derart Kostbares berührt. Mit einer ruckartigen Kopfbewegung machte Pema sich los. Falls sie Angst hatte, ließ sie es sich nicht anmerken, im Gegenteil, ihre ganze Haltung hatte etwas so Herausforderndes, dass die Narbenfrau und die Krieger ihren Anführer gebannt anstarrten und den am Boden kauernden Mädchen für einen Moment der Atem stockte, weil sie sicher waren, er würde die Gefangene für diese Unverfrorenheit schlagen, aber dann trat er bloß einen Schritt von ihr weg. Er rotzte Pema vor die Füße und ging zu seinen Kumpanen zurück, die auf der anderen Seite des Feuers am Boden hockten. Sie hatten eine Landkarte vor sich ausgebreitet, tranken aus ihren Feldflaschen, kauten die roten Betelnüsse, spuckten aus und besprachen irgendetwas miteinander.
    Nadia nahm an, dass es dieselbe oder eine ähnliche Karte war wie im Roten Fort. Sie begriff nichts von dem, was die Männer redeten, zu sehr quälten sie die Ereignisse der letzten Stunden, als dass sie mit dem Herzen hätte hören können. Pema flüsterte ihrins Ohr, dass sie einen nordindischen Dialekt sprachen und sie einige Wörter verstand: Drache, Wege, Kloster, Amerikaner, König.
    Dann musste sie den Mund halten, denn die Narbenfrau hatte sie gehört, schwang ihre Peitsche und fauchte die beiden an.
    Die anderen kreischten vor Angst auf, aber von Pema und Nadia kam kein Laut, sie schlugen nur die Augen nieder, um die Aufpasserin nicht noch mehr zu reizen. Als die sich dann etwas später am Feuer zu schaffen machte, flüsterte Pema Nadia ins Ohr, dass alle Frauen, die von den Blauen Kriegern jemals freigelassen worden waren, das Brandzeichen des Skorpions auf der Stirn trugen und dass viele von ihnen nicht sprechen konnten, weil man ihnen die Zunge herausgeschnitten hatte. Vom Grauen gepackt, sagten Nadia und Pema nichts mehr, aber sie verständigten sich durch Blicke.
    Die anderen vier, die kurz zuvor hierher verschleppt worden sein mussten, zuckten bei jeder Bewegung in der Höhle zusammen, als wüssten sie etwas, wovon Nadia keine Ahnung hatte, aber sie traute sich nicht, danach zu fragen. Auch Pema schien zu wissen, was ihnen bevorstand, aber sie war einige Jahre älter, außerdem mutig und offenbar entschlossen, um ihr Leben zu kämpfen. Etwas von dieser Stärke übertrug sich auch auf die anderen, die unwillkürlich etwas näher an Pema herangerückt waren, als könnte sie ihnen Schutz bieten. Nadia empfand große Bewunderung für ihre Freundin, und gleichzeitig fühlte sie sich elend, weil sie sich mit den anderen, die kein Wort Englisch sprachen, nicht verständigen konnte. Es war schlimm, dass sie so anders war als sie.
    Der Anführer gab einen Befehl, und die Narbenfrau vergaß ihre Gefangenen für einen Moment. Aus einem schwarzen Topf, der über den Flammen hing, verteilte sie Essen unter den Männern. Auf einen weiteren Befehl hin gab sie missmutig auch den

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