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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hatte ihr dort erklärt, dass diese Leute Betel kauten. Trotz der Dunkelheit hatte Nadia die Männer sofort wiedererkannt, sie sahen aus wie die Männer im Roten Fort, die Skorpionkrieger.
    Die Entführer zerrten sie auf die Beine, aber sie mussten sie stützen, weil ihr die Knie wegsackten. Einige Schritte weiter konnte sie Pema sehen, die sich vor Schmerzen krümmte. Sie wurden vorwärts gestoßen. Einer der Entführer blieb mit den Pferden zurück,die Übrigen kletterten mit den Gefangenen weiter den Berg hinauf. Nadia hatte richtig geschätzt: Es waren fünf Reiter gewesen.
    Sie waren etwa eine Viertelstunde gegangen, als aus der Nachtschwärze plötzlich eine Gruppe Männer auftauchte, alle in dunklen Tuniken, bärtig und mit Dolchen im Gürtel. Nadia kämpfte gegen ihre Angst an, versuchte, mit dem Herzen zu hören, weil sie wissen wollte, was die Männer miteinander sprachen, aber der Schmerz und die Furcht waren übermächtig. Während die Männer redeten, schloss sie die Augen und stellte sich vor, sie wäre ein Adler, wäre die Königin der Lüfte, ihr Totemtier. Für einen kurzen Augenblick hatte sie das Gefühl, sich wie ein mächtiger Vogel in die Lüfte zu schwingen, sah unter sich die Berge und sehr weit entfernt auch das Tal, in dem die Stadt Tunkhala lag. Ein Stoß brachte sie auf den Erdboden zurück.
    ~
    Die Blauen Krieger entzündeten Fackeln, grobe Holzstangen, deren mit Reisig umwickelte Enden in Fett getränkt waren. In ihrem flackernden Schein führten sie die beiden Gefangenen auf einem schmalen Wildwechsel in eine Steilwand. Gegen die Felsen gepresst, arbeiteten sie sich mühsam vorwärts, unter ihnen klaffte der Abgrund. Eiskalte Böen trafen die Haut wie Messerstiche. Zwischen den Felsen war Schnee angeweht, und manche Stellen waren vereist, obwohl Sommer war.
    Wie ist es hier erst im Winter?, fragte sich Nadia und dachte an Pema in ihrem Seidensarong und den Sandalen. Sie wollte ihr die Daunenjacke geben, aber als sie Anstalten machte, sie auszuziehen, schlug einer der Männer sie ins Gesicht und zwang sie, weiterzugehen. Pema war irgendwo hinter ihr, und Nadia konnte sie nicht sehen, aber bestimmt war dieser Aufstieg für sie eine noch viel schlimmere Tortur. Zum Glück dauerte er nicht sehr lange, sie erreichten ein paar dornige Sträucher, die von den Männern beiseite gebogen wurden. Die Fackeln beleuchteten den Eingang zu einer perfekt getarnten Höhle. Für einen Moment wurde Nadia schwarz vor Augen: Wie sollte Jaguar sie hier jemals finden?
    Die Höhle war geräumig und bestand aus mehreren einzelnenGrotten. Bündel lagen herum, Waffen, Zaumzeug und Decken, Säcke mit Reis, Linsen, getrocknetem Gemüse und Nüssen reihten sich an den Wänden, und darüber hingen lange Knoblauchzöpfe. So wie dieses Lager aussah, hatten sich ihre Entführer hier schon einige Tage aufgehalten, und der Masse an Vorräten nach zu urteilen, wollten sie noch länger bleiben.
    Gleich am Eingang war ein schauerlicher Altar aufgebaut. Über einem Steinhaufen thronte eine Statue der schrecklichen Göttin Kali inmitten von Totenschädeln und anderen Menschenknochen, zwischen ausgestopften Ratten, Schlangen und Echsen, und davor standen Tonschalen mit einer dunklen Flüssigkeit, die aussah wie Blut, und verschlossene Glasgefäße voller schwarzer Skorpione. Beim Eintreten knieten die Blauen Krieger vor dem Altar nieder, tauchten ihre Finger in eine der Tonschalen und leckten sie dann ab. Nadia sah, dass in den Schärpen der Männer ein Arsenal von Säbeln, Dolchen und Messern steckte.
    Pema und Nadia wurden in den hinteren Teil der Höhle gestoßen auf eine massige Frau zu, die unter einem zerlumpten Hundefell aussah wie eine Hyäne. Ihre Haut war so bläulich verfärbt wie die der Männer, ihre rechte Wange war vom Auge bis zum Kinn mit einer abstoßenden Narbe gezeichnet, als hätte ihr jemand mit dem Messer das halbe Gesicht zerschnitten, und in ihre Stirn war ein Skorpion eingebrannt. Sie hielt eine kurze Peitsche in der Hand.
    Hinter ihr kauerten zitternd vor Kälte und Angst vier gefangene Mädchen neben einem Feuer. Die Aufpasserin knurrte etwas und gab Nadia und Pema mit einer Kopfbewegung zu verstehen, sie sollten sich zu den anderen setzen. Nadia war die Einzige, die Wintersachen trug, alle anderen waren in die Seidensarongs gekleidet, die sie zum Geburtstagsfest des Königs getragen hatten. Also müssen sie mit uns zusammen entführt worden sein, dachte Nadia und schöpfte wieder etwas Hoffnung,

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