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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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König lebte, und gab das Zeichen zum Angriff.
    Am Morgen hatte Tex Gürteltier dem König wieder eine Droge gespritzt, die ihn schwächen und zermürben sollte, aber der Monarch hatte sich gut im Griff und war dem Verhör mit undurchdringlichem Schweigen begegnet. Tex war aufgebracht gewesen. Solange er die Botschaften des Goldenen Drachen nicht entschlüsseln konnte, war seine Arbeit nicht beendet, der Code war Teil der Lieferung an den Kunden. Zwar hatte er gehört, dass die Statue »sang«, aber diese Töne würden dem Sammler nichts nützen, solange er sie nicht zu deuten wusste. Da weder die Drogen noch die Drohungen und Schläge der letzten Tage ihn seinem Ziel näher gebracht hatten, kündigte der Amerikaner dem Gefangenen schließlich an, dass er Judit Kinski so lange foltern werde, bis er das Geheimnis preisgab oder sie unter der Folter starb, womit ihr Tod auf dem Gewissen des Königs lasten und sein Karma beschmutzen würde. Aber dann war der Hubschrauber gekommen, und der Amerikaner hatte die beiden allein gelassen.
    »Ich bedaure zutiefst, dass Sie durch meine Schuld in diese Lage gebracht worden sind, Judit«, sagte der König, von den Drogen geschwächt, sehr leise.
    »Es ist nicht Ihre Schuld.« Damit wollte sie ihn wohl beruhigen, aber der König sah ihr an, wie verstört sie war.
    »Ich kann nicht zulassen, dass Ihnen ein Leid geschieht, aber diesem Halunken ist nicht zu trauen. Selbst wenn ich ihm alles sage, bringt er uns wahrscheinlich um.«
    »Der Tod schreckt mich nicht, Majestät, was mir wirklich Angst einjagt, ist die Folter.«
    »Ich heiße Dorji«, flüsterte er. »Seit dem Tod meiner Frau vor vielen Jahren hat mich niemand mehr so genannt.«
    »Dorji … was bedeutet das?«
    »Blitz oder wahrhaftiges Licht. Der Blitz steht für den erleuchteten Geist, aber ich bin sehr weit von der Erleuchtung entfernt.«
    »Ich glaube, Sie haben diesen Namen verdient, Dorji. Ich bin nie zuvor jemandem wie Ihnen begegnet. Sie tun sich niemals wichtig, obwohl Sie doch der mächtigste Mann Ihres Landes sind.«
    »Judit, dies ist vielleicht meine einzige Gelegenheit, Ihnen zu sagen, dass ich, ehe all das passiert ist, viel darüber nachgedacht habe, ob Sie mich möglicherweise in meiner Aufgabe begleiten und sich gemeinsam mit mir meinem Volk widmen möchten …«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich dachte daran, Sie zu bitten, Königin dieses bescheidenen Landes zu werden.«
    »Also Sie, Sie wollten mich fragen, ob ich Sie heirate …«
    »Sicher klingt es absurd, jetzt, da uns der Tod bevorsteht, aber dies war meine Absicht. Ich habe viel darüber meditiert. Ich spüre, wir sind dazu bestimmt, etwas gemeinsam zu tun. Ich weiß nicht, was es ist, aber dass dies unser Karma ist, spüre ich deutlich. Nun wird es sich in diesem Leben nicht mehr erfüllen, aber möglicherweise in einem anderen.« Der König hätte sie gerne berührt, wagte es aber nicht.
    »In einem anderen Leben? Wann?«
    »In hundert Jahren, tausend Jahren, das spielt keine Rolle, denn der Geist hat nur ein einziges Leben. Das Leben des Körpers hingegen ist ein flüchtiger Traum, nur Illusion.«
    Judit hatte ihm den Rücken zugekehrt und starrte die Wand an, so dass der König ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie schien sehr aufgewühlt zu sein, und er war es auch.
    »Sie kennen mich nicht, Sie wissen nicht, wie ich bin«, sagte sie schließlich leise.
    »Ich vermag weder Ihre Aura noch Ihre Gedanken zu lesen und wünschte, ich könnte es, Judit, aber ich weiß, wie klug Sie sind, wie geistreich und wie sehr Sie die Natur lieben …«
    »Aber Sie können nicht in mich hineinsehen!«
    »Einzig Schönheit und Aufrichtigkeit würde ich dort finden.«
    »Die Inschrift auf Ihrem Medaillon besagt, dass der Wandel möglich ist.« Judit wandte sich um und sah ihm in die Augen. »Glauben Sie das wirklich, Dorji? Können wir uns von Grund auf ändern?«
    »Eines ist sicher, Judit: Die Welt ist stetig im Wandel. Der Wandel ist unvermeidlich, denn alles ist endlich. Und doch fällt es uns Menschen schwer, unser Wesen zu ändern und eine höhere Stufe der Erkenntnis zu erreichen. Wir Buddhisten glauben, dass wir uns aus freiem Willen ändern können, wenn wir eine Wahrheit erkannt haben, aber das geschieht niemals unter Zwang. Siddharta Gautama hat es vollbracht: Er war ein verwöhnter Prinz, aber im Angesicht des Leids der Welt ist er zum Buddha geworden.«
    »Ich glaube, es ist sehr schwer, sich zu ändern … Und Sie vertrauen mir?«
    »Ich vertraue Ihnen

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