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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Landeplatz war beengt, und er musste höllisch Acht geben, dass die Rotorblätter nicht gegen die Felsen schrappten, aber vor allem machten ihm die Windströmungen zu schaffen. In diesem Bergkessel wirbelte die Luft wie in einem Strudel.
    Der Pilot war ein Held der nepalesischen Luftwaffe, ein mutiger und ohne Zweifel rechtschaffener Mann, dem man ein kleines Vermögen dafür geboten hatte, dass er ein »Paket« und zwei Personen hier abholte. Worin die Fracht bestand, wusste er nicht, und er war auch nicht übermäßig scharf darauf gewesen, es herauszufinden, ihm genügte die Gewissheit, dass es sich nicht um Waffen oder Drogen handelte. Sein Auftraggeber hatte sich als Mitglied eines internationalen Forscherteams vorgestellt, das in der Gegend Gesteinsproben untersuchte. Die beiden Personen sollten nebst »Paket« vom Chenthan Dzong an einen nicht näher bezeichneten Ort in Nordindien gebracht werden, wo der Pilot die zweite Hälfte seiner Entlohnung erhalten würde.
    Die Männer, die ihm aus dem Cockpit halfen, gefielen ihm ganz und gar nicht. Das waren nicht die ausländischen Wissenschaftler, mit denen er gerechnet hatte, sondern schuftig dreinblickende Gestalten mit blau verfärbter Haut und einem halben Dutzend Dolchen, Säbeln und Messern im Gürtel. Hinter ihnen stand ein Amerikaner mit gletscherkalten hellblauen Augen, der ihm jetzt die Hand gab und ihn auf eine Tasse Kaffee ins Kloster einlud, während die anderen das »Paket« zum Hubschrauber zerrten. Eswar ein unförmiges, in eine Plane gewickeltes, fest verschnürtes Ding und offensichtlich schwer, denn sie mussten es zu mehreren hochwuchten. Wahrscheinlich waren es Gesteinsproben.
    Der Amerikaner führte ihn durch etliche vollkommen zerfallene Säle. An vielen Stellen war das Dach eingestürzt, die meisten Innenwände lagen in Trümmern, der Fußboden hatte sich gehoben, zum Teil wohl durch das Erdbeben, aber an manchen Stellen auch durch Wurzeln, die sich einen Weg gebahnt hatten, seit das Kloster verlassen worden war. In den Ritzen wuchsen trockene, harte Gräser. Überall sah man Spuren von Tieren, Kot, der von Tigern stammen konnte, und Bergziegenköttel. Der Amerikaner erzählte etwas von den kämpfenden Mönchen, die in aller Eile aus dem Kloster geflohen waren und Waffen, Küchengerät und einige Kunstgegenstände zurückgelassen hatten. Der Wind und weitere Beben hatten viele der tönernen Buddhastatuen von ihren Sockeln gefegt, und der Boden war mit Scherben übersät. Man musste sich mühsam einen Weg durch den Schutt bahnen, und als der Pilot einmal einen Blick in einen Raum zur Rechten werfen wollte, fasste ihn der Amerikaner freundlich, aber bestimmt am Arm und führte ihn zu einer Art Feldküche, wo es löslichen Kaffee, Kondensmilch und Kekse gab.
    Der nepalesische Nationalheld sah Grüppchen von Männern mit schwarzblau verfärbter Haut, aber das schmale honigfarbene Mädchen, das wie ein Gespenst sehr dicht an ihm vorbei zwischen den Ruinen des alten Klosters hindurchglitt, sah er nicht. Er fragte sich, was diese Kerle in den Turbanen und Tuniken für Schauergestalten waren und was sie mit dem Wissenschaftsteam zu schaffen hatten, das ihn bezahlte. Seine Arbeit hatte einen Anstrich bekommen, der ihm überhaupt nicht behagte; vielleicht war das Ganze doch nicht so legal und sauber, wie es sich ihm dargestellt hatte.
    »Wir müssen bald los, gegen Abend frischt der Wind auf«, sagte er.
    »Wir brauchen nicht mehr lange. Rühren Sie sich bitte nicht von der Stelle. Das Gebäude ist stark einsturzgefährdet, nicht dass Ihnen etwas zustößt.« Der Amerikaner drückte ihm eine Tasse Kaffee in die Hand und ließ ihn mit den Dolchkerlen allein.
    ~
    Von der Feldküche durch unzählige Räume voller Schutt getrennt, wurden der König und Judit Kinski im gegenüberliegenden Gebäudeflügel ohne Fesseln und Knebel gefangen gehalten, denn auch hier war an Flucht nicht zu denken; aus der Klosterburg konnte man nicht unbemerkt verschwinden, die Skorpionsekte hatte überall Wachen postiert. Nadia zählte sie auf ihrem Erkundungsgang. Sie sah die dicken Außenmauern aus Stein, die fast genauso zerfallen waren wie die schlankeren Wände im Innern; in den Ecken war Schnee angeweht, und es gab frische Spuren von kleinen Nagetieren, die sich vor den Menschen bestimmt in ihren Bau geflüchtet hatten. Alles, was sie sah, versuchte sie mit dem Herzen Tensing mitzuteilen. Als sie den Raum mit dem König und Judit Kinski betrat, erkannte der Lama, dass der

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