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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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seine Eltern dagegen sollten die nächsten drei Tage fasten, um sich mit dem vertriebenen Geist auszusöhnen. Als einzige Nahrung und Lohn für ihre Mühe nahm die Greisin eine Kalebasse mit einer Mischung aus Sauermilch und frischem Blut entgegen, für das die Massai einem ihrer Rinder einen kleinen Schnitt am Hals zufügten. Dann verabschiedete sie sich, denn sie musste sich ausruhen und Kräfte für den zweiten Teil ihrer Aufgabe sammeln: Sie würde den Geist, den nun sie in sich trug, zum Gehen bewegen und zurück ins Reich der Toten schicken müssen. Die Massai bedankten sich bei ihr und zogen weiter, um ihr Lager für die Nacht an anderer Stelle aufzuschlagen.
    »Könnten wir die Frau nicht bitten, dass sie mal nach Timothy sieht?«, schlug Alex vor.
    »Eine solche Behandlung funktioniert nur, wenn man daran glaubt«, sagte Mushaha. »Außerdem ist sie erschöpft und muss erst wieder zu Kräften kommen, ehe sie sich um den nächsten Patienten kümmern kann.«
    Und so verbrachte der arme Engländer eine unruhige, fiebrige Nacht auf seinem Lager, während unter den Sternen das Kind der Massai zum ersten Mal seit einer Woche mit Appetit aß.
    ~
    Wie sie Michael Mushaha über Funk versprochen hatte, kam Angie Ninderera früh am nächsten Morgen beim Safaricamp an. Kaum hatten die Campbewohner ihr Flugzeug am Himmel gesichtet, halfen sie Timothy in einen Landrover und brachen alle zusammen zu der Stelle auf, wo Angie für gewöhnlich landete. Joel hätte seinen Freund gern ins Krankenhaus begleitet, aber Kate erinnerte ihn daran, dass ihr Arbeitgeber von einer Fotoreportage ohne Fotos nicht viel halten würde.
    Während die Maschine aufgetankt, das Gepäck verladen und dem Kranken ein Lager hinterm Cockpit bereitet wurde, nutzte Angie die Pause, um im Schatten eines Sonnensegels eine Tasse Kaffee zu trinken. Sie war eine große, massige Afrikanerin mitgesundem, kaffeefarbenem Teint, die gern und viel lachte und fünfundzwanzig oder auch vierzig Jahre alt sein konnte, das war schwer zu sagen. Jedenfalls nahm sie die meisten Menschen durch ihre gute Laune und ihre Schönheit im Handumdrehen für sich ein. Sie erzählte, sie stamme aus Botswana und habe mit einem Stipendium in Kuba fliegen gelernt. Ihr Vater hatte kurz vor seinem Tod seine Farm und sein Vieh verkauft, um seiner Tochter eine Mitgift hinterlassen zu können, aber anstatt sich mit dem Geld einen respektablen Ehemann zu angeln, hatte Angie ihr erstes Flugzeug davon gekauft. Sie mochte ihr Leben in der Luft und hatte nicht den Wunsch nach einem Nest. Ihre Arbeit führte sie bald hier, bald dort hin, mal brachte sie Impfstoffe nach Zaire, mal Schauspieler und Crew für einen Abenteuerfilm in die Ebene der Serengeti oder eine Gruppe unerschrockener Bergsteiger an den Fuß des legendären Kilimandscharo. Sie brüstete sich damit, stark wie ein Büffel zu sein, und forderte zum Beweis jeden Mann, der daran zu zweifeln wagte, zum Armdrücken heraus. Von Geburt an trug sie ein Muttermal in Form eines Sterns auf dem Rücken, was ihr zufolge ein sicheres Zeichen für Glück war. Diesem Stern war es zu verdanken, dass sie unzählige brenzlige Situationen mit heiler Haut überstanden hatte. Einmal wäre sie im Sudan beinahe von einer aufgebrachten Menschenmenge gesteinigt worden, ein andermal war sie fünf Tage allein zu Fuß durch die äthiopische Wüste geirrt, ohne Essen und mit nur einer einzigen Flasche Wasser. Aber die schlimmsten Ängste hatte sie ausgestanden, als sie mit dem Fallschirm hatte abspringen müssen und in einem Fluss voller Krokodile gelandet war.
    »Da hatte ich meine Cessna Caravan noch nicht. Auf die ist Verlass«, sagte sie eilig, als sie die besorgten Mienen ihrer Kunden vom International Geographic sah.
    »Und wie haben Sie das überlebt?«, wollte Alex wissen.
    »Die Krokodile haben sich erst auf den Fallschirm gestürzt und bis sie mit dem fertig waren, konnte ich ans Ufer schwimmen und wegrennen. Das ist noch mal gut gegangen, aber früher oder später ende ich im Bauch eines Krokodils, das ist mir vorherbestimmt …«
    »Woher wissen Sie das?«, fragte Nadia.
    »Eine Seherin hat es mir gesagt. Und es heißt, Má Bangesé irre sich nie.«
    »Má Bangesé? Eine dicke Frau, die einen Stand auf dem Markt in der Stadt hat?« Alex glaubte, sich verhört zu haben.
    »Genau die. Aber dick ist sie nicht, nur kräftig.« In Fragen des Gewichts war Angie etwas empfindlich.
    Alex und Nadia warfen sich einen fragenden Blick zu. Ein seltsamer Zufall

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