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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Zigarre beobachtete, hätte sie heulen mögen. Sie kramte in ihren Taschen nach ihrer leeren Pfeife, die sie für trostlose Momente wie diesen immer bei sich trug, und kaute betrübt darauf herum. Zugegeben, ihr schlimmer Husten, der ihr früher zuweilen fast den Atem genommen hatte, war abgeheilt. Aber das lag sicher an ihrem Tee mit Wodka, in den sie ein Pulver von Walimai gerührt hatte, einem Schamanen vom Amazonas, der mit Nadia befreundet war. Ihr Enkel behauptete allerdings, die Wunderheilung sei auf ein Amulett aus versteinertem Drachenkot zurückzuführen, das er von Dil Bahadur, dem König des Verbotenen Reichs, geschenkt bekommen hatte und von dessen magischen Kräften er überzeugt war. Kate wusste nicht, was sie über Alexander denken sollte, der früher immer für alles vernünftige Erklärungen hatte finden wollen und seit geraumer Zeit für phantastische Spinnereien anfällig war. Seine Freundschaft mit Nadia hatte ihn verändert. In dieses Amulett aus was auch immer setzte er solche Hoffnung, dass er ein paar Gramm davon pulverisiert, in Reisschnaps gelöst und seine Mutter genötigt hatte, dieses Gebräu zu trinken, weil es angeblich gegen ihren Krebs half. Den Rest hatte sie außerdem monatelang an einem Lederriemen um den Hals tragen müssen, und nun trug Alexander das Amulett selbst und legte es auch zum Duschen nicht ab.
    »Es kann gebrochene Knochen und andere Verletzungen heilen«, hatte er behauptet. »Außerdem lenkt es Pfeile, Messer und Kugeln ab.«
    »Das würde ich an deiner Stelle nicht ausprobieren.« Sie hatte die Augen verdreht, ihm aber widerstrebend erlaubt, ihr Brust und Rücken mit dem Drachenkot abzureiben, während sie bei sich knurrte, sie beide seien doch nicht mehr ganz richtig im Kopf.
    ~
    Als an diesem Abend alle um das Lagerfeuer saßen, bedauerten Kate und die anderen, dass sie am nächsten Tag von ihren neuen Freunden und diesem paradiesischen Flecken Erde, der ihnen eine unvergessliche Woche beschert hatte, Abschied nehmen mussten.
    »Ein Gutes hat es: Ich freue mich darauf, Timothy zu sehen«, tröstete sich Joel González.
    »Wir brechen morgen gegen neun auf«, sagte Angie und nahm einen kräftigen Schluck Bier und einen Zug von ihrer Zigarre.
    »Du siehst müde aus, Angie«, bemerkte Michael.
    »Die letzten Tage waren schlimm. Ich musste Lebensmittel nach Norden über die Grenze bringen, die Leute sind verzweifelt. Es nimmt einen mit, wenn man den Hunger mit eigenen Augen sieht.«
    »Die Leute dort haben nie jemandem etwas zuleide getan«, erklärte Michael Mushaha den anderen. »Früher haben sie in Würde vom Fischfang, von der Jagd und vom Ackerbau gelebt, aber durch die Kolonialisierung, durch Kriege und Krankheiten sind sie mehr und mehr verelendet. Heute sind sie von Almosen abhängig. Ohne die Nahrungsmittellieferungen könnte niemand überleben. Der Hälfte der afrikanischen Bevölkerung geht es ähnlich, sie haben nicht einmal das Subsistenzminimum.«
    »Was ist das?«, fragte Nadia nach.
    »Das heißt, es reicht nicht zum Leben.«
    Damit war ihr langes Gespräch beendet, Michael Mushaha erhob sich und sagte, es sei schon nach Mitternacht und Zeit, schlafen zu gehen. Eine Stunde später war im Camp Ruhe eingekehrt.
    Nachts sollte ein Angestellter als Wache nach dem Rechten sehen und die Lagerfeuer versorgen, aber auch dem fielen bald vor Müdigkeit die Augen zu. Während im Lager alles schlief, brodelte ringsum das Leben. Eine Vielzahl nachtaktiver Tiere durchstreifte unter dem grandiosen Sternenhimmel die Savanne auf der Suche nach Nahrung und Wasser. Die Nacht war erfüllt von einem vielstimmigen Konzert; hin und wieder trompetete ein Elefant, Hyänen bellten in der Ferne, von einem Leoparden aufgeschreckt, kreischten die Mandrills, Frösche quakten, Zikaden zirpten.
    ~
    Kurz vor Sonnenaufgang fuhr Kate aus dem Schlaf, weil sie meinte, ganz in der Nähe etwas gehört zu haben. »Ich muss geträumt haben«, brummte sie und drehte sich auf die andere Seite. Sie versuchte abzuschätzen, wie lange sie geschlafen hatte. Ihre Gelenke knackten, die Muskeln schmerzten, sie hatte einen Krampf in der Wade. Ihre siebenundsechzig schonungslos gelebten Jahre machten sich bemerkbar. Die Ausflüge mit den Elefanten waren ihren armen Knochen nicht bekommen. Ich bin zu alt für so ein Leben, dachte sie bei sich, verwarf den Gedanken jedoch sogleich wieder, denn anders zu leben wäre für sie sowieso nicht in Frage gekommen. Sie litt weit mehr unter der Tatenlosigkeit bei

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