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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Nacht als unter den Anstrengungen bei Tage. Die Stunden im Zelt wollten kein Ende nehmen. Da war es wieder, ganz nah: das Geräusch, das sie geweckt hatte. Sie wusste nicht, woher es kam, aber es klang wie ein Kratzen oder Scharren.
    Im Handumdrehen war der letzte Rest Schläfrigkeit von ihr abgefallen, und Kate schnellte mit trockener Kehle und pochendem Herzen auf ihrem Lager in die Höhe. Kein Zweifel, da draußen war etwas, direkt hinter der dünnen Zeltplane. Ganz vorsichtig, um keinen Lärm zu machen, tastete sie nach ihrer Taschenlampe, die hier irgendwo sein musste. Bis sie die Lampe zu fassen bekam, war sie schweißgebadet vor Angst, und ihre feuchten Finger rutschten am Schalter ab. Sie wollte es eben erneut versuchen, als sie Nadia neben sich flüstern hörte:
    »Schhh, Kate, kein Licht machen …«
    »Was ist los?«
    »Da draußen sind Löwen. Du darfst sie nicht erschrecken.«
    Die Taschenlampe fiel Kate aus der Hand und kullerte unters Bett. Kate spürte, dass ihre Glieder wabbelig wurden wie Pudding, und aus ihrem Bauch stieg ein Schrei auf und blieb ihr im Hals stecken. Ein einziger Tatzenhieb, der dünne Nylonstoff hinge in Fetzen und die Raubkatzen würden über sie herfallen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Touristen während einer Safari auf diese Weise ihr Leben ließen. Auf ihren Streifzügen waren sie so nah an Löwen vorbeigekommen, dass sie ihre Zähne hatte zählen können. Kate war nicht erpicht, sie nun am eigenen Leib zu spüren. In ihrem Kopf blitzte flüchtig die Erinnerung an die ersten Christen auf, die,zum Tode verurteilt, im Kolosseum in Rom von Löwen zerfleischt worden waren. Der Schweiß lief ihr über das Gesicht, während sie auf der Suche nach der Lampe auf dem Fußboden herumfingerte und sich zusehends in ihrem Moskitonetz verhedderte. Sie hörte das Schnurren einer großen Katze und wieder Kratzen.
    Diesmal drückte sich die Zeltplane nach innen, als wäre ein Baum darauf gestürzt. Voller Panik merkte Kate eben noch, dass auch Nadia Laute wie eine Katze von sich gab. Dann hatte sie die Taschenlampe gefunden und knipste sie mit zitternden, schweißnassen Fingern an. In ihrem Lichtkegel sah sie Nadia, die auf allen vieren dicht vor der Zeltplane kauerte und verträumt schnurrende Töne mit dem Raubtier tauschte, das draußen vor dem Zelt sein musste. Kates zugeschnürte Kehle öffnete sich, und ein gurgelnder Schrei brach heraus, der Nadia so überrumpelte, dass sie vor Schreck hochfuhr. Kates kräftige Hand packe sie am Arm und zerrte sie weg von der Zeltplane. Neue Schreie, diesmal begleitet von furchterregendem Löwengebrüll, zerrissen die Stille des Lagers.
    Im Nu waren alle Angestellten und Gäste des Camps draußen, obwohl ihnen Michael Mushaha wieder und wieder eingeschärft hatte, nachts die Zelte nicht zu verlassen. Nadia strampelte und wand sich, aber Kate zerrte an ihrem Arm und wollte sie ins Freie schleifen. In dem Gerangel brach das halbe Zelt über ihnen zusammen, Kates Moskitonetz löste sich aus der Verankerung und begrub sie unter sich. Sie glichen zwei Larven, die sich mühen, ihren Kokon zu verlassen. Alex war als Erster zur Stelle und wühlte sich durch die Zeltplane und das Moskitonetz bis zu ihnen vor. Als er Nadia endlich befreit hatte, schubste sie ihn weg. Sie kochte vor Zorn darüber, dass ihr Gespräch mit den Löwen so unsanft gestört worden war.
    Unterdessen hatte Michael Mushaha mehrere Schüsse in die Luft abgegeben, und das Brüllen der Löwen entfernte sich. Die Campangestellten zündeten Fackeln an, schulterten ihre Flinten und brachen auf, um die Umgebung abzusuchen. Die Elefantenführer eilten zu den Gehegen, um die Tiere zu beruhigen, ehe die in ihrer Aufregung die Absperrung einrissen und auf ihrer Flucht alles niedertrampelten, was ihnen im Weg war. Der Geruch der Löwenhatte die Zwergschimpansen zu Tode erschreckt, und kreischend hängten sie sich an den ersten Menschen, der in ihre Reichweite kam. Borobá hatte sich auf Alexanders Kopf geflüchtet, und sosehr Alex ihn auch am Schwanz zog, er wurde ihn einfach nicht los. In dem Wirrwarr begriff niemand, was eigentlich vorging.
    Schreiend kam Joel González aus seinem Zelt gestürzt:
    »Schlangen! Pythonschlangen!«
    »Löwen«, verbesserte ihn Kate.
    Er stockte, rieb sich die Augen.
    »Keine Schlangen?«
    »Nein, Löwen!«, sagte Kate wieder.
    »Und dafür weckt ihr mich?«
    »Himmel, ich bitte Sie, bedecken Sie sich!«, gluckste Angie, die im Pyjama auf ihn zukam.
    Joel sah

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