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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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was er über die Pygmäen geschrieben hatte, einigermaßen richtig lag. Zum ersten Mal in ihrem Leben vermisste sie ihn. Die Auseinandersetzungen mit ihm gaben ihrem Leben Würze und stachelten ihre Kampfeslust an. Wenn sie zu lange keinen Kontakt mit ihm hatte, würde sie womöglich verweichlichen. Ihr grauste bei dem Gedanken, zu einem harmlosen alten Mütterchen zu werden.
    Bruder Fernando war überzeugt, dass der Königliche Mund über den Verbleib der Missionare die Unwahrheit sagte, und stellte weiter Fragen, bis Kate und Angie ihn an das Protokoll erinnerten. Dem König war das Thema offensichtlich lästig, und wer wusste, ob er hinter seiner Maske nicht drauf und dran war zu explodieren.
    ~
    Den Besuchern zu Ehren wurden Kalebassen voller Palmwein gebracht, außerdem Blätter, die aussahen wie Spinat, und eine Art Pudding aus Maniok. Auch einen Korb voller gegrillter Ratten reichte man ihnen, die mit Spritzern eines orangeroten Öls aus Palmsamen gewürzt waren. Alex schloss die Augen und dachte sehnsüchtig an die Sardinenbüchsen in seinem Rucksack, aber Kate brachte ihn mit einem Tritt gegen das Schienbein zurück in die Wirklichkeit. Es war nicht ratsam, das Festessen des Königs zurückzuweisen.
    »Kate, das sind riesige Ratten!« Alex spürte die Übelkeit in sich aufsteigen.
    »Hab dich nicht so. Die schmecken wie Huhn«, zischte sie.
    »Das hast du am Amazonas dauernd behauptet, und gestimmt hat es fast nie.«
    Der Palmwein entpuppte sich als viel zu süßes und widerwärtiges Gebräu, und die Freunde nippten zwar aus Höflichkeit daran, brachten ihn jedoch kaum hinunter. Die Soldaten und die anderenMänner des Dorfes tranken dagegen in großen Schlucken, und bald war keiner mehr nüchtern. Dadurch ließ die Wachsamkeit der Soldaten deutlich nach, aber an Flucht war nicht zu denken, denn ringsum wartete nichts als Dschungel, modrige Sümpfe und wilde Tiere. Die gegrillten Ratten und die spinatähnlichen Blätter schmeckten besser, als sie aussahen, der Maniokpudding erinnerte allerdings stark an Weißbrot in Seifenlauge, aber sie waren hungrig und aßen, ohne sich weiter zu zieren. Nadia nahm nur von den bitteren Blättern, während Alexander sich dabei ertappte, wie er genüsslich einen Rattenschenkel abnagte. Seine Großmutter hatte Recht: Es schmeckte wie Huhn. Besser gesagt, wie geräuchertes Huhn.
    Wieder schwenkte Kosongo sein goldenes Glöckchen.
    »Bringt meine Pygmäen!«, schrie der Königliche Mund den Soldaten zu.
    Trommeln wurden auf den Platz getragen, manche davon so groß, dass zwei Männer mit anpacken mussten, aber auch kleine, lederbespannte Kalebassen waren dabei und ölverschmierte Benzinkanister. Einer der Soldaten gab einen Befehl, und mehrere Männer mit Buschmessern stießen das kleine Grüppchen Pygmäen, das Kate und die anderen nach Ngoubé geführt und sich seither abseits gehalten hatte, zu den Instrumenten. Stumm, mit gesenktem Blick stellten sich die Männer an die Trommeln.
    »Sie müssen trommeln und singen und tanzen, damit ihre Vorfahren einen Elefanten in die Netze treiben. Morgen ziehen sie aus zur Jagd, und sie dürfen nicht mit leeren Händen zurückkehren«, ließ Kosongo den Königlichen Mund verkünden. An die Besucher gewandt, fuhr der Sprecher fort: »Die leben wie die Affen im Wald und taugen nur als Sklaven.«
    Als wollte er seine Beklemmung abschütteln und den Rhythmus finden, tat Beyé-Dokou einige prüfende Schläge, dann schlossen die anderen sich an. Der Ausdruck auf ihren Gesichtern veränderte sich, ihr Blick schien nach innen gerichtet, ihre Augen blitzten auf, sie wiegten sich im Rhythmus ihrer Hände, die immer lauter und schneller die Trommeln schlugen. Es war, als könnten sie der Musik nicht widerstehen, die sie doch selbst erzeugten. Jetzt begannen sie zu singen, und die Melodie glitt wie eine Schlange inWellen auf und ab und verstummte jäh, um gleich darauf gegen den Takt erneut einzusetzen. Die Trommeln waren wie lebendig, sie rangen miteinander, verbündeten sich, pulsierten, gaben der Nacht einen Herzschlag. Alex dachte, dass selbst ein halbes Dutzend Percussionbands mit Verstärkern nicht mit diesen Trommeln hätte mithalten können. Die Pygmäen entlockten ihren plumpen Instrumenten Stimmen der Natur, manche davon sanft wie das Plätschern von Wasser über Steine oder das Springen einer Gazelle im Unterholz, andere dröhnend wie das Stampfen eines Elefanten, wie Donner oder galoppierende Büffel, dazu Liebesklagen, Kriegsgeheul,

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