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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sauberes Wasser, Schulen und ärztliche Versorgung.

SIEBTES KAPITEL
In der Gewalt Kosongos
    In der Rechten schwenkte Kosongo das Glöckchen, und mit der Linken winkte er die Bewohner des Dorfes herbei, die sich noch zwischen den Hütten und Bäumen verborgen hielten. Die Soldaten wurden mit einem Mal zuvorkommend, sie halfen den Besuchern vom Boden auf und brachten sogar für jeden einen dreibeinigen Hocker. Zögernd wagten sich die Dorfbewohner näher.
    »Ein Fest! Musik! Essen!«, ordnete Kosongo durch den Königlichen Mund an und bedeutete seinen eingeschüchterten Gästen, dass sie sich auf die Hocker setzen durften.
    Das Gesicht hinter dem Perlenvorhang wandte sich Angie zu. Sie fühlte, wie der König sie musterte, und wäre gern hinter ihren Gefährten verschwunden, was aber angesichts ihrer Leibesfülle aussichtslos war.
    »Ich glaube, er sieht mich an«, flüstere sie Kate zu. »Sein Blick tötet zwar nicht, aber ich merke, wie er mich auszieht.«
    »Vielleicht will er dich für seinen Harem haben«, gluckste Kate.
    »Nur über meine Leiche!«
    Kate dachte bei sich, dass Angie schön genug war, um jeder von Kosongos Ehefrauen den Rang abzulaufen, auch wenn sie nicht mehr so jung war. In weiten Teilen Afrikas heirateten die Mädchen sehr früh, und die Pilotin galt hier wahrscheinlich als reife Frau, aber ihr hoher Wuchs und die üppigen Kurven, ihre strahlend weißen Zähne und die schimmernde Haut machten sie unwiderstehlich. Kate zog eine ihrer kostbaren Wodkaflaschen aus dem Rucksack und legte sie dem Monarchen zu Füßen, der allerdings nicht beeindruckt schien. Mit abfälliger Geste gestattete er, dass seine Leibgarde sich an dem armseligen Geschenk gütlich tat. Kate musste mit ansehen, wie die Soldaten die Flasche herumreichten. Dann holte der König eine Stange Zigaretten unter seinem Umhang hervor, und die vier Soldaten verteilten den Inhalt einzeln an die Männer des Dorfes. Die Frauen wurden vielleicht für eineandere Lebensform gehalten, jedenfalls bekamen sie nichts. Begierig sah Angie, wie ringsum die Zigaretten angezündet wurden, aber zu ihrem Leidwesen gingen auch die Besucher bei der Verteilung leer aus.
    Die Haremsdamen wurden nicht besser behandelt als die übrige weibliche Bevölkerung Ngoubés. Im Gegenteil, ein herrischer Alter beaufsichtigte sie und schlug ihnen nach Lust und Laune mit einem dünnen Bambusrohr auf die Beine. Anscheinend hatte niemand etwas dagegen, wenn die Frauen des Königs in der Öffentlichkeit gezüchtigt wurden.
    Bruder Fernando wagte es schließlich, den Königlichen Mund nach den Missionaren zu fragen, und bekam zur Antwort, es habe niemals Missionare in Ngoubé gegeben. Seit Jahren seien keine Fremden im Dorf gewesen, außer einem bleichen Mann mit Tropenhelm, der den Kopfumfang der Pygmäen hatte vermessen wollen und nach wenigen Tagen die Flucht ergriff, weil er das Klima und die Stechmücken nicht aushielt.
    »Das muss Ludovic Leblanc gewesen sein.« Kate seufzte.
    Sie erinnerte sich, dass der Anthropologe, der ihr liebster Feind war und ebenfalls für die Diamantenstiftung arbeitete, ihr einmal einen Artikel über die Pygmäen in den Wäldern Äquatorialafrikas geschickt hatte, der in einer wissenschaftlichen Zeitschrift erschienen war. Leblanc behauptete darin, dass die Pygmäen so frei und gleichberechtigt miteinander lebten wie keine zweite menschliche Gemeinschaft. Männer und Frauen teilten sich alle Aufgaben, sie jagten zusammen und kümmerten sich gemeinsam um die Kinder. Alle hatten gleiche Rechte, und wenn einer einen Ehrentitel wie »Chef«, »Heiler« oder »bester Jäger« trug, erwuchsen ihm daraus nicht etwa Vorteile, sondern nur zusätzliche Pflichten. Ansonsten wurde kein Unterschied gemacht, weder zwischen Mann und Frau noch zwischen Alt und Jung, und die Kinder schuldeten ihren Eltern keinen Gehorsam. Gewalt innerhalb der Familienverbände gab es nicht. Man lebte von der Hand in den Mund, und niemand besaß mehr als die anderen. Besitztümer anzuhäufen lohnte auch nicht, denn wenn jemand etwas ergatterte, durfte seine Familie es ihm wegnehmen. Alles wurde geteilt. Die Pygmäen war immer unabhängig gewesen, selbst die europäischen Kolonialherrenhatten sie nicht unterjochen können, aber in letzter Zeit waren immer mehr Sippen zu Sklaven der Bantus geworden.
    Kate wusste nie genau, wie viel von Leblancs wissenschaftlicher Arbeit man für bare Münze nehmen konnte, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass der überkandidelte Professor mit dem,

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