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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Dieses Kleidungsstück wog sicher allein vierzig Kilo, und zusätzlich saß auf dem Kopf des Königs ein hohes Ungetüm von einem Hut, aus dem vier goldene Hörner ragten, ein Symbol für Manneskraft und Mut. Um Kosongos Hals hingen Ketten aus Löwenzähnen und verschiedene Amulette, und unter dem klaffenden Umhang sah man die Haut einer Pythonschlange, die er um die Hüfte geschlungen hatte. Sein Gesicht war verborgen von einem Vorhang aus Glasperlen und Goldplättchen. In einer Hand hielt er ein Zepter aus Gold mit einem getrockneten Affenkopf als Knauf. Daran baumelte ein mit zarten Mustern verzierter Knochen, der nach Größe und Form der Schienbeinknochen eines Menschen hätte sein können. Womöglich war das das Amulett Ipemba-Afua, von dem Beyé-Dokou gesprochen hatte. An den Fingern des Königs steckten massige Goldringe in Tierform, und seine Arme verschwanden bis hinauf zu den Ellbogen unter breiten Reifen aus dem gleichen Metall. Wie er da thronte, war Kosongo beeindruckend wie ein englischer Monarch bei den Krönungsfeierlichkeiten, auch wenn er einen anderen Stil zu lieben schien.
    In einem Halbkreis um den Thron standen seine Wachen und Diener. Wie der Rest der Dorfbewohner schienen es Bantus zusein, wohingegen der König wohl zur selben Volksgruppe gehörte wie die vier hochgewachsenen Soldaten. Wie groß er tatsächlich war, ließ sich zwar im Sitzen schlecht sagen, aber er wirkte wie ein Koloss, was durch die pompöse Kopfbedeckung noch unterstrichen wurde. Kommandant Maurice Mbembelé und der Zauberer Sombe waren nirgends zu sehen.
    Frauen oder Pygmäen gehörten nicht zur Dienerschar des Königs, aber hinter den Männern seines Hofstaats drängten sich ungefähr zwanzig junge Mädchen, die deutlich anders aussahen als die übrigen Bewohner Ngoubés, denn sie waren in farbenprächtige Stoffe gehüllt und trugen schweren Goldschmuck. Im unruhigen Licht der Fackeln blitzte das gelbe Metall auf ihrer dunklen Haut. Ein paar von ihnen hielten Säuglinge im Arm, und einige kleine Kinder spielten zwischen ihren Füßen. Das musste die Familie des Königs sein, auch wenn es sonderbar war, dass diese Frauen genauso verschüchtert wirkten wie zuvor die Pygmäen. Offensichtlich waren sie nicht stolz auf ihre herausgehobene Stellung, sondern hatten Angst.
    Bruder Fernando hatte davon gesprochen, dass Vielweiberei in Afrika nach wie vor weit verbreitet war und die Zahl der Frauen und Kinder häufig als Maßstab für wirtschaftliche Macht und gesellschaftliches Ansehen galt. Für einen König hieß das, je mehr Kinder er hatte, desto mehr gedieh sein Reich. Das Christentum und die westliche Lebensart hatten diese Tradition, wie viele andere auch, kaum verändert. Der Missionar raunte ihnen zu, dass Kosongos Frauen ihr Schicksal vielleicht nicht selbst gewählt hatten, sondern zur Heirat mit dem König gezwungen worden seien.
    Die vier Soldaten stießen die Neuankömmlinge unsanft nach vorn, damit sie sich vor dem König zu Boden warfen. Als Kate den Blick heben wollte, traf sie ein Schlag am Hinterkopf, und sie versuchte es kein zweites Mal. In dieser unbequemen, entwürdigenden Haltung, die Stirn gegen den lehmigen Boden gedrückt und zitternd vor Angst, harrten sie aus, bis das Schlagen der Stöcke verstummte und ein helles Bimmeln zu hören war. Vorsichtig sahen sie zum Thron auf: Der seltsame Monarch schwang in der Rechten ein goldenes Glöckchen.
    Als Kosongo die Hand um das Glöckchen schloss, trat einerseiner Diener zu ihm, und der König flüsterte ihm etwas ins Ohr. In einem Mischmasch aus Französisch, Englisch und Bantu wandte sich der Mann daraufhin an die Fremden und sagte, Kosongo sei von Gott ausersehen und regiere in göttlichem Auftrag. Kate und die anderen drückten die Nasen wieder in den Lehm, denn es sollte nicht aussehen, als zweifelten sie an dieser Eröffnung. Der Mann, der sie angesprochen hatte, musste der Königliche Mund sein, von dem Beyé-Dokou erzählt hatte. Jetzt fragte er, weshalb sie in das Hoheitsgebiet des hochwohlgeborenen Königs Kosongo gekommen seien. Es klang wie eine Drohung. Keiner antwortete. Verstanden hatten die Frage sowieso nur Kate und Bruder Fernando, aber die beiden waren wie benebelt, kannten das Protokoll nicht und fürchteten, etwas Falsches zu tun. Womöglich war die Frage gar nicht als echte Frage gemeint, und Konsongo erwartete keine Antwort.
    Es war mucksmäuschenstill auf dem Platz, bis der König erneut sein Glöckchen schwenkte, was die Dorfbewohner

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