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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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wohl als Befehl verstanden. Alle begannen zu schreien, nur die Pygmäen hielten sich im Hintergrund, die anderen Leute ballten die Fäuste und drängten auf die Besucher zu. Komischerweise hatte dieses Spektakel aber nichts von einem allgemeinen Wutausbruch, sondern erinnerte eher an ein Theaterstück mit miserablen Schauspielern. Das Krakeelen klang nicht erbost, und man sah sogar hier und da einen, der sich das Lachen verkniff. Die Soldaten dachten wohl, sie müssten etwas nachhelfen, und gaben ohne Vorwarnung eine Salve in die Luft ab, was eine kopflose Rennerei auslöste. Erwachsene, Kinder, Affen, Hunde und Hühner stoben davon, und unter dem Baum blieben einzig der König, sein kleiner Hofstaat, der verschreckte Harem und die sechs Besucher, die mit den Armen über dem Kopf am Boden kauerten und sicher waren, dass ihr Schicksal besiegelt war.
    ~
    Nach und nach kehrte wieder Ruhe ein im Dorf. Die Schüsse waren verhallt und die angstvollen Schreie verstummt, da stellte der Königliche Mund seine Frage aufs Neue. Diesmal rappelte sichKate mit dem bisschen Würde, das ihre alten Knochen ihr gestatteten, auf die Knie hoch, hielt also den Kopf, genau wie Beyé-Dokou geraten hatte, deutlich tiefer als der reizbare König und sagte zu dem Sprecher mit fester Stimme, jedoch darauf bedacht, nicht unverschämt zu klingen:
    »Wir sind Reporter und Fotografen.« Und dabei deutete sie vage auf die anderen.
    Der König zischte seinem Diener etwas zu, und der wandte sich wieder an Kate:
    »Alle?«
    »Nein, Eure Durchlauchtigste Majestät, dieser Dame hier gehört das Flugzeug, das uns hergebracht hat, und der Herr mit der Brille ist Missionar.« Sie zeigte auf Angie und Bruder Fernando. Und ehe der König nach Alexander und Nadia fragen konnte, fuhr sie hastig fort: »Wir sind von weit her gekommen für ein Interview mit Eurer Erlauchtesten Majestät, denn Euer Ruhm hat sich über die Grenzen hinaus in der ganzen Welt verbreitet.«
    Kosongo, der offensichtlich besser Französisch verstand als der Königliche Mund, horchte auf. Misstrauisch beugte er sich nach vorn und starrte Kate durch seinen Perlenvorhang an.
    »Was soll das heißen, alte Frau?«, ließ er seinen Sprecher fragen.
    »Das Ausland hat großes Interesse an Eurer Person, Erhabenste Majestät.«
    »Wie das?«, sagte der Königliche Mund.
    »Euch ist es zu verdanken, dass in dieser Gegend Friede, Wohlstand und Ordnung Einzug gehalten haben. Man rühmt Eure Unerschrockenheit im Kampf, Eure Herrscherqualität und Weisheit und Euren Reichtum. Es heißt, Ihr seid mächtig wie einst König Salomo.«
    Kate redete drauflos, verknotete sich die Zunge mit ihrem seit zwanzig Jahren brachliegenden Französisch und die Gedanken mit einem Plan, an den sie selbst kaum glaubte. Im Mittelalter mochte es Könige beeindruckt haben, wenn man ihnen eine Sonnenfinsternis vorhersagte, aber im einundzwanzigsten Jahrhundert musste man sich etwas anderes einfallen lassen. Kosongo war zwar nicht ganz auf der Höhe der Zeit, doch ein Trottel war ersicher nicht: Um ihn zu überzeugen, würde es mehr brauchen als eine plötzliche Verdunkelung der Sonne. Lobhudelei, dachte Kate. Die meisten Menschen waren empfänglich für Lobhudelei, umso mehr, wenn sie Macht besaßen. Es widerstrebte ihr zwar, Süßholz zu raspeln, aber in ihrem langen Leben hatte sie gelernt, dass die Leute die abwegigsten Dinge glauben, solange sie schmeichelhaft sind. Sie konnte nur hoffen, dass Kosongo diesen plumpen Köder schlucken würde.
    Im Nu waren ihre Zweifel verflogen. Kosongo war offenbar von seinem göttlichen Auftrag überzeugt. Seit Jahren herrschte er unangefochten und konnte nach Gutdünken über Leben und Tod seiner Untertanen entscheiden. Es lag doch auf der Hand, dass Journalisten die halbe Welt umrundeten, weil sie ein Interview mit ihm führen wollten, erstaunlich war nur, dass nicht längst welche hier gewesen waren. Er beschloss, ihnen einen würdigen Empfang zu bereiten.
    Kate nahm sich vor herauszufinden, wo all das Gold herkam, denn das Dorf gehörte zu den ärmsten, die sie je gesehen hatte. Welche Reichtümer besaß der König wohl sonst noch? Wie standen Kosongo und Kommandant Mbembelé zueinander? Vielleicht plünderten die beiden gemeinsam die Gegend, um ihr Vermögen dann an einem erfreulicheren Ort als in diesem unwegsamen sumpfigen Dschungel zu verjubeln. Die Bewohner Ngoubés hätten sicher nie etwas davon und würden weiter im Elend leben, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Strom,

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