Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
schmerzvolles Wimmern. Schneller und eindringlicher klangen die Trommeln, bis die Spannung mit einem Mal abfiel und die Musik zu einem kaum mehr vernehmbaren Seufzen wurde. Damit schloss sich ein Kreis, und ein neuer begann, der dem vorherigen in nichts glich und doch genauso reich war, voller Anmut und Gefühl.
    Wieder gab Kosongo ein Zeichen, und nun wurden Frauen gebracht, die Kate und die anderen bisher nicht gesehen hatten. Man holte sie aus den palisadenumzäunten Pferchen am Eingang des Dorfes, hinter denen die Neuankömmlinge Vieh vermutet hatten. Es waren junge Pygmäinnen, nur in Baströcke gekleidet. Sie hielten die Köpfe gesenkt und schleppten die Füße nach beim Gehen, während zwei Wachmänner sie anbrüllten und mit Holzknüppeln bedrohten. Bei ihrem Anblick hielten die Musiker wie gelähmt inne, das Trommeln brach ab, und nur noch der Nachhall erfüllte für einen Moment die Nacht.
    Die beiden Wachmänner schwangen die Knüppel, und die Frauen duckten sich und schlangen schützend die Arme umeinander. Sofort setzte das Trommeln wieder ein, mit unbekanntem Drängen. Unter den ohnmächtigen Blicken der Besucher entspann sich ein wortloses und verzweifeltes Zwiegespräch zwischen den Frauen und den trommelnden Männern. Während die einen auf ihre Trommeln hieben und ihnen alle erdenklichen menschlichen Gefühle entlockten, von Zorn und Schmerz bis zu Liebe und Sehnsucht, tanzten die Frauen im Kreis, ließen ihre Baströcke wippen, reckten die Arme, stampften mit ihren bloßen Füßen die Erde und antworteten mit jeder Bewegung und mit ihrem Gesangauf den angstvollen Ruf ihrer Gefährten. In anderen Zeiten mochte dieser Tanz ein Ritual zur Beschwörung des Jagdglücks gewesen sein, hier jedoch missbrauchte Kosongo diese Menschen und ihre Tradition zu seiner eigenen Belustigung. Ihr Schauspiel war beklemmend und voller Pein, und es war unerträglich.
    Nadia barg das Gesicht in den Händen, und Alexander legte die Arme um sie und hielt sie fest, weil er fürchtete, sie werde in den Kreis springen, um diesem erniedrigenden Spektakel ein Ende zu machen. Kate beugte sich zu ihnen her und warnte sie, sich ja ruhig zu verhalten, weil jede falsche Bewegung ihre letzte sein konnte. Ein Blick auf Kosongo genügte, und man wusste, was sie meinte: Er sah aus wie besessen. Er saß noch immer auf seinem französischen Sessel, der ihm als Thron diente, aber jetzt zuckte er im Rhythmus der Trommeln wie unter Stromstößen. Der Flitter an seinem Umhang und seinem Hut klimperte, seine Füße stampften im Takt, er schwang die Arme, und die Goldreifen klirrten. Einige Diener aus seinem Hofstaat und selbst die berauschten Soldaten schlossen sich seinem Tanz an, und schließlich gab es kein Halten mehr. Im Handumdrehen war der Dorfplatz ein Gewirr zappelnder und springender Leiber.
    ~
    Das erbarmungswürdige Schauspiel war so plötzlich vorüber, wie es begonnen hatte. Auf ein Zeichen, das nur sie gewahrten, hielten die Trommler inne, und der Tanz ihrer Gefährtinnen war zu Ende. Die Frauen scharten sich und wurden zurück in den Pferch getrieben. Kaum schwiegen die Trommeln, rührte sich auch Kosongo nicht mehr, und die übrigen Bewohner des Dorfes folgten seinem Beispiel. Einzig der Schweiß, der die entblößten Arme des Königs hinabrann, erinnerte an seinen Tanz auf dem Thron. Unter dem verrutschten Umgang konnten Kate und die anderen erkennen, dass Kosongos Arme von den gleichen rituellen Narben gezeichnet waren wie die der vier Soldaten und dass auch er Riemen aus Leopardenfell um die Oberarme geschlungen hatte. Eilig rückten seine Diener ihm den schweren Umhang und den Hut zurecht.
    Der Königliche Mund erklärte den Besuchern, falls sie nichtschleunigst wieder verschwänden, müssten sie Ezenji erleben, den Tanz der Toten, der Bestattungen und Hinrichtungen begleitete. Ezenji sei auch der Name des Großen Geistes. Das klang nicht verlockend, aber ehe jemand nachzufragen wagte, verkündete ihnen der Sprecher im Namen des Königs, sie würden nun zu ihren Gemächern geführt.
    Vier Männer hoben das Podest mit dem Thron an und trugen Kosongo davon, gefolgt von seinen Frauen, die ihre Kinder an der Hand nahmen und die beiden Elefantenstoßzähne schulterten. Die Podestträger hatten zu viel getrunken, und der Thron mitsamt König schwankte bedenklich.
    Kate und die anderen nahmen ihr Gepäck und folgten zwei Männern, die Buschmesser am Gürtel trugen und ihnen mit Fackeln den Weg wiesen. Einer der Soldaten mit

Weitere Kostenlose Bücher