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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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leben wollten wie die Menschen im Dorf, glaubten diese, dass die Pygmäen wie Affen waren.
    Aus einem Loch im Boden zogen die Jäger eine halbe Antilope, die mit Erde und Ungeziefer bedeckt war. Sie hatten sie vor einigen Tagen erlegt, einen Teil gegessen und den Rest vergraben, um ihn vor Tieren zu schützen. Als sie nun sahen, dass das Fleisch noch da war, sangen und tanzten sie. Alex und Nadia fragten sich, wie diese Menschen, die doch so viel zu leiden hatten, dennoch so guter Dinge sein konnten. Hier im Wald wirkten sie glücklich, alles gab Anlass zu Scherzen, sie erzählten sich Geschichten und lachten viel. Das Fleisch verströmte einen fauligen Geruch und war leicht grünlich, aber die Jäger hatten im Nu trockenes Brennmaterial gefunden und mit Alexanders Feuerzeug ein kleines Feuer entfacht, über dem sie es grillten. Die Larven, Maden, Würmer und Ameisen, die daran klebten, wurden mitgegessen, den Pygmäen galten sie als Delikatesse, und als Beilage gab es wilde Früchte, Nüsse und Pfützenwasser.
    »Kate hat uns gewarnt, dass wir von dem dreckigen Wasser Cholera kriegen«, sagte Alexander, wobei er mit beiden Händen aus einer Pfütze schöpfte, weil der Durst ihm die Kehle versengte.
    »Du vielleicht, du Mimose«, lachte Nadia. »Ich bin am Amazonas aufgewachsen. Gegen Tropenkrankheiten bin ich immun.«
    Sie fragten Beyé-Dokou, wie weit es nach Ngoubé sei, aber so genau konnte er das nicht sagen, denn die Pygmäen maßen die Entfernung in Stunden, und es kam darauf an, wie schnell man war. Fünf Stunden gehen entsprach zwei Stunden rennen. Auch bei der Richtung blieb er vage, denn er hatte noch nie einen Kompass oder eine Karte gebraucht. Er orientierte sich an der Natur, kannte hier in der Gegend jeden Baum. Nur sie hätten für alle Gewächse einen Namen, sagte er, für jeden Baum und jedes Tier. Für die anderen Menschen hier war der Wald nichts als ein eintönig grünes, sumpfiges Gestrüpp. Mbembelés Soldaten und die anderen Bewohner von Ngoubé wagten sich nur vom Dorf bis zur Gabelung des Flusses, hielten über den Fluss Kontakt zu anderen Dörfern und trieben Handel mit den Schmugglern.
    »Elfenbeinhandel ist auf der ganzen Welt verboten. Wie schaffen sie die Stoßzähne hier weg?«, wunderte sich Alex.
    Beyé-Dokou erklärte ihm, Mbembelé besteche die Behörden und habe überall am Fluss Helfershelfer. Die Stoßzähne wurdenunter die Boote gebunden und konnten so, vom Wasser verborgen, am helllichten Tag flussabwärts gebracht werden. Die Diamanten reisten in den Mägen der Schmuggler. Sie schluckten sie mit einem Löffel Honig oder Maniokpudding, und wenn sie sich einige Tage später auf sicherem Gebiet befanden, kam die Ware am anderen Ende wieder heraus, eine zwar etwas unappetitliche, aber sichere Methode.
    Die Jäger erzählten von den Zeiten vor Kosongo, als Nana-Asante noch Königin in Ngoubé war. Damals hatte es keine Diamanten gegeben und keinen Handel mit Elfenbein, die Dorfbewohner bauten Kaffee an, den sie über den Fluss in die Städte brachten, und die Pygmäen waren die meiste Zeit des Jahres im Wald auf der Jagd. Manchmal gingen sie ins Dorf, um Fleisch gegen Maniok und Gemüse einzutauschen. Auch gemeinsame Feste hatten sie mit den Dorfbewohnern gefeiert. Arm waren alle gewesen, aber wenigstens hatte niemand über ihr Leben bestimmt. Hin und wieder waren Boote mit Sachen aus der Stadt gekommen, aber die Leute aus dem Dorf kauften wenig, denn sie waren sehr arm, und die Pygmäen interessierten sich nicht für diese Dinge. Die Regierung hatte sie vergessen, auch wenn manchmal eine Krankenschwester mit Impfstoffen nach Ngoubé geschickt wurde oder ein Lehrer, der eine Schule aufbauen sollte, oder ein Beamter, der versprach, für Strom zu sorgen. Alle waren schnell wieder gegangen. Sie ertrugen das Leben hier nicht, wurden krank, verloren den Verstand. Nur Mbembelé und seine Soldaten waren geblieben.
    »Und die Missionare?«, fragte Nadia.
    »Die waren zäh und sind auch geblieben. Als sie kamen, war Nana-Asante schon nicht mehr da. Mbembelé wollte sie verjagen, aber sie sind nicht gegangen. Sie wollten uns helfen. Dann sind sie verschwunden.«
    »Genau wie die Königin.« Alex nickte.
    »Nein, nicht wie die Königin …«, sagte Beyé-Dokou, aber dann schwieg er und wollte nichts mehr erklären.

ZEHNTES KAPITEL
Das Dorf der Ahnen
    Für Nadia und Alexander war es die erste vollständige Nacht im Wald. Am Abend ihrer Ankunft im Dorf hatte Kosongos Fest stattgefunden,

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