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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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unbedingt in dieses verbotene Dorf, Jaguar?«
    »Der Glaube versetzt bekanntlich Berge, oder? Wenn wir den Pygmäen weismachen können, dass ihre Ahnen sie beschützen, fühlen sie sich unbesiegbar. Und dass sie das Ipemba-Afua wiederhaben, gibt ihnen zusätzlich Mut.«
    »Und wenn die Ahnen nicht helfen wollen?«
    »Die Ahnen gibt es nicht, Aguila! Ihr Dorf ist bloß ein Friedhof. Wir verbringen dort in aller Ruhe ein paar Stunden und erzählen dann, die Ahnen hätten uns versprochen, dass sie beim Kampf gegen Mbembelé helfen. So denke ich mir das.«
    »Das gefällt mir nicht. Aus einer Lüge kann nichts Gutes entstehen …«
    »Wenn du willst, gehe ich allein.«
    »Du weißt, dass wir uns nicht trennen dürfen. Ich komme mit«, entschied Nadia.
    ~
    Noch war es hell, als sie die Lichtung mit den blutverkrusteten Voodoo-Figuren erreichten, die sie bereits kannten. Die Pygmäen würden nicht weitergehen, denn dahinter lagen die Gefilde der hungrigen Geister, sagte Beyé-Dokou.
    »Haben Gespenster denn Hunger? Ich dachte, sie hätten keinen Magen«, sagte Alex.
    Beyé-Dokou deutete auf die Abfallhaufen ringsum. Sie würden zu Füßen der Figuren Tiere opfern und Früchte, Honig, Nüsse und Kalebassen mit Schnaps hier abstellen. Über Nacht verschwand fast alles, wurde verschlungen von den unersättlichen Geistern. Deshalb konnten die Jäger ruhig schlafen, denn wenn die Geister ernährt wurden, wie es ihnen gebührte, griffen sie nicht an. Alex wandte ein, die Opfergaben könnten auch von Ratten gefressen werden, aber die Jäger wiesen das gekränkt zurück. Die Greisinnen, die während der Bestattung die Toten zum Eingang des Dorfes trugen, könnten versichern, dass die Opfergaben bis dorthin geschleppt wurden. Auch hatten sie manchmal grausige Schreie gehört, so entsetzlich, dass einem das Haar auf dem Kopf in wenigen Stunden grau wurde.
    »Nadia, Borobá und ich gehen hin, aber jemand muss hier auf uns warten und uns vor Tagesanbruch nach Ngoubé bringen«, sagte Alex.
    Für die Pygmäen konnte das nur heißen, dass die beiden jungen Fremden den Verstand verloren hatten, aber da man ihnen die Idee offensichtlich nicht ausreden konnte, musste man sie wohl gewähren lassen. Beyé-Dokou zeigte ihnen einen schmalen Weg im Dickicht und verabschiedete sich sehr herzlich und betrübt, denn er war sicher, die beiden nicht wiederzusehen, auch wenn er ihnen aus Höflichkeit versprach, bis Sonnenaufgang bei den Figuren auf sie zu warten.
    ~
    Sonderbar, dass in diesem alles verschlingenden Dschungel, in dem nur Elefanten eine sichtbare Spur hinterließen, ein Pfad zu diesem Friedhof führte. Das hieß doch, dass jemand diesen Weg häufig benutzte.
    »Die Ahnen gehen hier entlang …«, flüsterte Nadia.
    »Wenn es die gäbe, würden sie keine Spuren hinterlassen und keinen Weg brauchen, Aguila.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Das ist eine Frage der Logik.«
    »Die Pygmäen und die Dorfbewohner kommen für nichts in der Welt hierher, und Mbembelés Soldaten haben noch mehr Angst vor Geistern und wagen sich gar nicht erst in den Wald. Erklär mir, wer diesen Pfad ausgetreten hat.«
    »Keine Ahnung, aber wir finden es heraus.«
    Etwa eine halbe Stunde folgten sie dem Pfad, der unvermittelt in eine Lichtung mündete. Vor ihnen erhob sich eine hohe und dicke Rundmauer aus Steinen, Baumstämmen, Stroh und Lehm. Schrumpfköpfe von Tieren hingen daran herab, außerdem Schädel und Knochen, Masken, geschnitzte Holzfiguren, Tongefäße und Amulette. Eine Tür war nirgends zu sehen, aber in einiger Höhe über dem Boden entdeckten sie ein rundes, etwa achtzig Zentimeter großes Loch.
    »Bestimmt schieben die Frauen die Toten da durch. Auf der anderen Seite liegt sicher ein Berg von Knochen«, sagte Alex.
    Nadia war zu klein und konnte nicht über den Rand sehen, aber Alex stellte sich auf die Zehenspitzen und steckte den Kopf ein Stück in das Loch.
    »Und?«, fragte Nadia hinter ihm.
    »Ich sehe nichts, die Mauer ist zu dick. Schick Borobá hinüber.«
    »Kommt nicht in Frage! Borobá geht nicht allein. Wir gehen zusammen oder keiner.«
    »Warte hier«, sagte Alex.
    »Ich will lieber mitkommen.«
    Alexander überlegte kurz: Wenn er sich durch das Loch zwängte, würde er auf der anderen Seite mit dem Kopf voran landen. Er wusste nicht, was ihn dort erwartete. Besser, er nahm den Weg über die Mauer, im Klettern war er geübt, es wäre ein Kinderspiel. Die Mauer bot viele Vorsprünge und Löcher, in denen er Halt fand, und im

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