Die Abenteuer von Aguila und Jaguar
Körper kribbeln und sein Herz gegen die Rippen hämmern. Er war so überrumpelt, dass er nichts antworten konnte. Warum hatte er daran nie gedacht? Er war fast schon aus Gewohnheit in Cecilia Burns verschossen, und mit der hatte er nichts gemeinsam. Das letzte Jahr hatte er sie hartnäckig verfolgt und wie ein Esel ihre Missachtung und ihre Launen über sich ergehen lassen. Sie behandelte ihn, als wäre er zwölf, und fühlte sich haushoch überlegen, dabei waren sie in derselben Klasse. Aber sie sah höllisch gut aus, und er hatte die Hoffnung aufgegeben, dass sie sich je für ihn interessieren könnte. Sie träumte davon, Schauspielerin zu werden, schmachtete Filmstars an und wollte nach Hollywood, sobald sie achtzehn war. Was Nadia da eben gesagt hatte, war wie eine Offenbarung.
»Ich bin so ein Idiot, Aguila!«
»Was soll das heißen? Dass wir nicht heiraten?«
»Ich …«
»Hör zu, Jaguar, wir wissen nicht, ob wir aus diesem Wald jemals lebend herauskommen. Also haben wir vielleicht nicht viel Zeit«, sagte sie ernst. »Lass uns mit dem Herzen reden.«
»Natürlich heiraten wir, Aguila! Was sonst?« Jetzt war es heraus, seine Ohren glühten.
»Gut, in ein paar Jahren«, sagte Nadia und zuckte die Achseln.
Eine lange Weile schwiegen die beiden. In Alexanders Gedanken und Gefühlen ging es drunter und drüber, er starb fast vor Angst bei der Vorstellung, dass er Nadia bei Tageslicht wieder in die Augen sehen musste, und hatte zugleich das brennende Verlangen, sie zu küssen. Aber das würde er sich nie und nimmer trauen … Die Stille wurde unerträglich.
»Hast du Angst, Jaguar?«, fragte Nadia nach einer Ewigkeit.
Alex antwortete nicht und dachte, dass sie seine Gedanken erraten hatte und diese neue Furcht meinte, an der sie schuld war und die ihn gerade vollkommen lähmte. Es braucht eine zweite Frage, bis er begriff, dass sie von etwas sprach, das sehr nahe bevorstand und greifbar war:
»Morgen geht es gegen Kosongo, Mbembelé und vielleicht auch gegen Sombe … Wie schaffen wir das?«
»Das sehen wir dann, Aguila. Kate würde sagen: Wer Angst vor der Angst hat, hat schon verloren.«
Er war erleichtert, dass sie das Thema gewechselt hatte, und nahm sich vor, nicht mehr darauf zurückzukommen, jedenfalls nicht, ehe er wieder sicher in Kalifornien war, durch die ganzen Vereinigten Staaten von ihr getrennt. Über E-Mail würde es ihm leichter fallen, von seinen Gefühlen zu sprechen, und sie würde seine roten Ohren nicht sehen.
»Hoffentlich kommen uns der Adler und der Jaguar zu Hilfe«, sagte er.
»Diesmal werden wir mehr brauchen als das.«
~
Als wäre das ein Stichwort gewesen, spürten sie plötzlich wenige Schritte neben sich ein stummes Etwas. Alex packte sein Messer und knipste die Taschenlampe an. Ein grausiger Schemen tauchte vor ihnen im Lichtkegel auf.
»Wer da?«, rief Alex auf Englisch und sprang auf die Füße.
Starr vor Schreck erkannten sie eine hexenhafte, in Lumpen gehüllte Gestalt, dürr wie ein Gerippe mit einer wirren und mächtigen weißen Mähne. Ein Gespenst, durchzuckte es beide, auch wenn Alex den Gedanken sofort von sich wies.
Stille. Alex wiederholte seine Frage und leuchtete der Gestalt mit der Taschenlampe ins Gesicht.
»Sind Sie ein Geist?«, fragte Nadia in einer Mischung aus Französisch und Bantu.
Die Gestalt murmelte etwas Unverständliches und wich zurück, geblendet vom Licht.
»Das ist eine alte Frau!«, rief Nadia.
Da endlich verstanden sie klar und deutlich, was das vermeintliche Gespenst sagte: Nana-Asante.
»Nana-Asante? Die Königin von Ngoubé? Lebendig oder tot?«, fragte Nadia vorsichtig.
Schnell war jeder Zweifel zerstreut: Die Frau war aus Fleisch und Blut, sie war die frühere Königin, die verschwunden war und totgeglaubt, ermordet von Kosongo, als er den Thron an sich riss. Über Jahre hatte sie sich auf dem Friedhof verborgen und sich mit den Opfergaben der Jäger am Leben gehalten. Sie pflegte diesen Ort, sie bettete die Toten in die Grabhäuser, wenn sie durch das Loch in der Mauer geschoben wurden. Nadia übersetzte für Alex, was die alte Frau sagte, dass sie nicht allein sei, sondern in sehr guter Gesellschaft mit den Geistern lebte und hoffte, bald ganz bei ihnen zu sein, weil sie es müde war, in ihrem Körper zu wohnen. Früher sei sie eine Nganga gewesen, eine Heilerin, die in die Welt der Geister reiste, wenn sie in Trance fiel. Damals hatte sie die Geister gesehen und sich vor ihnen gefürchtet, ihre Angst jedoch
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