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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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sagten, klang nach Mottenkiste. Sie liebten ihn, das wusste er und war ihnen auch dankbar dafür, aber sie verstanden ihn nicht. Wirklich mitteilen konnte er sich nur Nadia. In ihren Mails hatten sie eine eigene Sprache gefunden, und er schrieb ihr, was mit ihm los war, ohne sich dafür zu genieren, aber geredet hatten sie noch nie darüber. Sie nahm ihn, wie er war, bildete sich keine Meinung, gab keine Ratschläge, vielleicht auch, weil ihre Nöte andere waren. Aber sie las seine Mails, und er fühlte sich verstanden.
    Alex waren seine Schwärmereien für Mädchen peinlich, aber er fühlte sich machtlos dagegen. Ein Wort, eine Geste, eine flüchtige Berührung, und sein Kopf war voller Bilder, das Herz tat ihm weh. Dann musste er sich austoben: Winters wie sommers ging er surfen. Wenn die eisigen Pazifikwellen über ihm zusammenschlugen oder er auf ihnen dahinflog, fühlte er sich unbeschwert und glücklich wie als Kind, aber das hielt nie lange vor. Die Reisen mit seiner Großmutter brachten ihn dagegen für Wochen auf andere Gedanken. Ihr gegenüber hatte er auch seine Stimmungen besser im Griff, und das ließ ihn hoffen. Vielleicht hatte sein Vater Recht, und dieser Irrsinn würde irgendwann vorbei sein.
    ~
    Seit ihrem Wiedersehen in New York vor Beginn der Reise betrachtete Alex Nadia mit anderen Augen, auch wenn er sie völlig aus seinen romantischen und erotischen Phantasien ausklammerte. Sie gehörte dort nicht hinein, er sah sie eher wie seine Schwestern: Seine Zuneigung war selbstverständlich und auch etwas besitzergreifend. Er wollte sie beschützen vor allem, was sie verletzenkonnte, und dachte grimmig an andere Jungs. Nadia war hübsch – fand er jedenfalls –, und über kurz oder lang würde ein Schwarm von Verehrern um sie herumscharwenzeln. Allein der Gedanke machte ihn krank, er würde sie alle verscheuchen. Es gefiel ihm, dass Nadia nicht mehr so mager war, wie sie sich bewegte, wie aufmerksam sie alles beobachtete. Er mochte ihre Farben, das dunkelblonde Haar, die gebräunte Haut, die mandelbraunen Augen, er hätte sie mit einer Palette nur aus Gelb- und Brauntönen malen können. Sie war anders als er, und das fand er schön: dass sie zerbrechlich wirkte und doch eine starke Persönlichkeit war, dass sie so aufmerksam zuhörte, dass sie wie eins war mit der Natur. Zurückhaltend war sie immer gewesen, aber nun schien sie ihm voller Geheimnisse. Er war froh, bei ihr zu sein, sie ab und an berühren zu können, aber aus der Entfernung fiel es ihm leichter, ihr etwas von sich zu erzählen. Ihre Nähe machte ihn unsicher, er wusste nicht, was er sagen sollte, und begann seine Worte zu wägen, manchmal fand er seine Hände sehr plump, seine Füße sehr groß, seinen Tonfall sehr bestimmend.
    Hier in der Dunkelheit, umgeben von Gräbern auf einem alten Pygmäenfriedhof, fühlte er sich Nadia so nah, dass es fast schmerzte. Er hatte sie lieber als irgendwen sonst auf der Welt, lieber als seine Eltern und alle seine Freunde zusammen, er hatte Angst, sie zu verlieren.
    »Wie geht’s dir in New York? Wohnst du eigentlich gern bei Kate?«, sagte er, um etwas zu sagen.
    »Sie verhätschelt mich, aber mein Vater fehlt mir.«
    »Geh nicht zurück an den Amazonas, Aguila, das ist so weit weg, und die Briefe brauchen ewig.«
    »Komm doch mit.«
    »Ich komme mit, wohin du willst, aber erst muss ich Medizin studieren.«
    »Kate sagt, du schreibst über unsere Abenteuer am Amazonas und im Reich des Goldenen Drachen. Schreibst du auch über die Pygmäen?«
    »Das sind bloß Notizen. Ich will nicht Schriftsteller werden, sondern Arzt. Das dachte ich schon, als meine Mutter krank geworden ist, und als ich gesehen habe, wie Tensing deineSchulter mit seinen Akupunkturnadeln und Gebeten geheilt hat, war ich mir sicher. Die moderne Medizin mit ihren vielen Geräten ist nicht alles. Ich würde gerne ganzheitliche Medizin machen, so heißt das, glaube ich.«
    »Weißt du noch, was Walimai gesagt hat? Dass du die Gabe des Heilens hast und sie nutzen sollst? Ich glaube, du wirst der beste Arzt der Welt.«
    »Und was willst du machen?«
    »Tiersprachen studieren.«
    »Es gibt keine Uni, an der man Tiersprachen studieren kann.« Alex lachte.
    »Dann muss ich eben eine gründen.«
    »Stell dir vor, wenn wir zusammen reisen könnten, ich als Arzt und du als Sprachforscherin.«
    »Das machen wir, wenn wir verheiratet sind.«
    Der Satz blieb in der Luft hängen, sichtbar wie eine Fahne. Alex fühlte das Blut durch seinen

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