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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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keine Beweise für ein Todesurteil. Zu Beginn der Herrschaft von Mbembelé und Kosongo waren viele Menschen ermordet worden, aber die Bevölkerung in der Gegend war nicht zahlreich, und als die beiden Gefahr liefen, Herrscher ohne Untertanen zu werden, mäßigten sie ihren Eifer.
    Ihre Macht stützte sich auch auf Sombe, den Zauberer, den sie riefen, wann immer sie seiner bedurften. Die Menschen in der Gegend waren an Heiler oder Zauberer gewöhnt, die für eine Verbindung zur Welt der Geister sorgten, Krankheiten heilten, Unheil bannten und schützende Amulette herstellten. Man glaubte, dass der Tod eines Menschen normalerweise auf Magie zurückzuführen sei. Wenn jemand starb, brauchte man daher einen Zauberer, der herausfinden musste, wer diesen Tod verursacht hatte, den Fluch aufhob und den Schuldigen bestrafte oder dazu zwang, die Familie des Verstorbenen zu entschädigen. Darauf gründete die Macht der Zauberer. Wie vielerorts in Afrika, so hatte es auch in Ngoubé von jeher Zauberer gegeben, die mal mehr, mal weniger Achtung genossen, aber keiner war wie Sombe.
    Man wusste nicht, wo dieser kaltherzige Zauberer lebte. Wie ein Dämon nahm er im Dorf Gestalt an, verschwand nach Erfüllen eines Auftrags spurlos, und dann sah man ihn wochen- oder monatelang nicht wieder. Er verbreitete solche Furcht, dass selbst Kosongo und Mbembelé ihm aus dem Weg gingen und sich in ihren Wohnhütten einschlossen, wenn er ins Dorf kam. Entsetzlich war seine Erscheinung. Er war riesig – großgewachsen wie Kommandant Mbembelé –, und wenn er in Trance fiel, erlangte er übermenschliche Kräfte und konnte Baumstämme anheben, die sechs Männer nicht zu bewegen vermochten. Er hatte einen Leopardenkopf, und um seinen Hals hing eine Kette aus Fingern, von denen es hieß, er habe sie seinen Opfern mit der Klinge seines Blicks abgetrennt, so wie er auch vor aller Augen Hähne köpfte, ohne sie anzufassen.
    »Diesen Sombe würde ich zu gern kennen lernen«, sagte Kate, als die Freunde wieder zusammenkamen, um einander zu berichten, was sie herausgefunden hatten.
    »Und ich würde zu gern seine Tricks fotografieren«, sagte Joel.
    »Es sind vielleicht keine Tricks. Voodoo-Zauberer können sehr gefährlich sein.« Angie schauderte.
    ~
    Während der zweiten nicht enden wollenden Nacht in der Schlafhütte ließen sie trotz des Gestanks nach verbranntem Harz und des schwarzen Qualms die Fackeln brennen, um die Kakerlaken und Ratten wenigstens sehen zu können. Kate tat stundenlang kein Auge zu, lauschte in die Stille und hoffte, Nadia und Alexander würden zurückkommen. Als ihr das Atmen drinnen schließlich unerträglich wurde, stand sie auf und trat vor die Hütte. Angie kam hinterher, und Schulter an Schulter setzten die massige Afrikanerin und die schmächtige Amerikanerin sich auf die Erde.
    »Was würde ich geben für eine Zigarre«, flüsterte Angie.
    »Hier kannst du deine Sucht loswerden, ich habe es auch geschafft. Man bekommt Lungenkrebs davon. Magst du einen Schluck Wodka?«
    »Ist Alkohol etwa keine Sucht?« Angie lachte.
    »Willst du behaupten, dass ich Alkoholikerin bin? Wag dich! Ich trinke hin und wieder ein Schlückchen, wenn mich die alten Knochen schmerzen, weiter nichts.«
    »Wir müssen von hier weg, Kate.«
    »Nicht ohne Alexander und Nadia.«
    »Wie lange willst du warten? Die Boote kommen übermorgen.«
    »Bis dahin sind die beiden zurück.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann fahrt ihr, ich bleibe.«
    »Ich lasse dich hier nicht allein, Kate.«
    »Du fährst mit den anderen und holst Hilfe. Du musst den International Geographic informieren und die amerikanische Botschaft. Niemand weiß, wo wir sind.«
    »Wir können bloß hoffen, dass Michael einen meiner Funksprüche aufgefangen hat, aber darauf würde ich nicht setzen.«
    Lange schwiegen die beiden. Trotz allem war diese Nacht im Licht des Mondes schön. Um diese Stunde brannten im Dorf kaum noch Fackeln, einzig die königlichen Wohngebäude und die Kaserne lagen in hellem Schein. Vom Wald wehte ein ununterbrochenes Raunen zu ihnen her, und es roch würzig nach feuchter Erde. Wenige Schritte weiter gab es eine fremde Welt voller Geschöpfe, die nie das Licht der Sonne sahen und nun aus dem Dunkel zu ihnen herspähten.
    »Weißt du, was der Brunnen ist, Angie?«, brach Kate schließlich das Schweigen.
    »Den die Missionare in ihren Briefen erwähnt haben?«
    »Es ist nicht das, was wir dachten. Es ist kein Brunnen zum Wasserholen.«
    »Nein? Was ist es dann?«
    »Dort

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