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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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interessiertes Publikum zu haben, nachdem er sich jahrelang mit seinen Schwesternherumgeärgert hatte, die ihn nie in Ruhe üben ließen. Von den Expeditionsteilnehmern bekam er hin und wieder sogar Applaus, und es machte ihm viel Spaß, denn die Melodien strömten wie von selbst, als verfügte dieses schlanke Instrument über ein Gedächtnis und erinnerte sich an das meisterhafte Können seines früheren Besitzers, des bedeutenden Joseph Cold.
    ~
    Das Gefühl, dass jemand ihnen folgte, hatte von allen Besitz ergriffen. Zwar redeten sie nicht darüber, denn solange etwas nicht ausgesprochen ist, scheint es nicht zu existieren, aber jeder beobachtete das Pflanzendickicht. Professor Leblanc hielt sich den ganzen Tag den Feldstecher vor die Augen und suchte die Ufer des Flusses ab; die Anspannung machte ihn noch unausstehlicher. Nur Kate Cold und der junge Engländer Timothy Bruce ließen sich von der allgemeinen Nervosität nicht anstecken. Die beiden hatten schon oft zusammengearbeitet, für ihre Reisereportagen waren sie um die halbe Welt gefahren, bei einigen Kriegen und Revolutionen vor Ort gewesen, auf Berge geklettert und auf den Grund des Meeres getaucht, und so gab es nicht viel, was ihnen den Schlaf raubte. Außerdem trugen sie gern ihre Kaltblütigkeit zur Schau.
    »Hast du nicht das Gefühl, dass wir beobachtet werden, Kate?«, fragte Alex.
    »Doch.«
    »Und du hast keine Angst?«
    »Es gibt verschiedene Mittel, um mit der Angst fertig zu werden, Alexander. Alle wirkungslos.«
    Sie hatte das kaum ausgesprochen, da fiel ihnen ein Soldat, der in ihrem Boot mitfuhr, ohne einen Ton von sich zu geben, vor die Füße. Kate Cold beugte sich über ihn und verstand erst gar nicht, was geschehen war, bis sie so etwas wie einen langen Dorn bemerkte, der in der Brust des Mannes steckte. Sie konnte nur noch feststellen, dass der Soldat sofort tot gewesen war: Der Dorn war glatt zwischen seine Rippen gedrungen und hatte sein Herz durchbohrt. Alex und Kate schlugen Alarm, die Übrigen hatten überhaupt nichts mitbekommen, so lautlos war der Angriffverlaufen. Sofort nahmen sie von beiden Booten aus mit einem halben Dutzend Pistolen und Gewehren das Uferdickicht unter Beschuss. Als das Krachen verstummt war, der Rauch sich verzogen hatte und der Himmel von aufgeschreckten Vögeln wimmelte, mussten sie erkennen, dass sich im Urwald nichts weiter rührte. Wer auch immer den Pfeil abgeschossen hatte, verharrte reglos und stumm in Deckung. Mit einem Ruck zog César Santos den Dorn aus dem Körper des Toten, und jetzt konnten sie sehen, dass er ungefähr einen Fuß lang war und so fest und biegsam wie Stahl.
    Der Führer gab Anweisung, mit voller Kraft weiterzufahren, denn der Fluss war hier schmal und ein Boot für die Pfeile der Angreifer ein leichtes Ziel. Es vergingen zwei Stunden, bis César Santos die Gefahr für gebannt hielt und anhalten ließ. Erst jetzt hatten sie Gelegenheit, sich den Pfeil genauer zu betrachten, der mit seltsamen roten und schwarzen Zeichen verziert war, die niemand zu deuten wusste. Karakawe und Matuwe versicherten, so etwas nie zuvor gesehen zu haben, ihre eigenen Stämme verwendeten solche Zeichen nicht, und auch sonst wussten sie von keinem, aber jedenfalls war der Pfeil mit einem Blasrohr abgeschossen worden, und die benutzten alle Indianer der Region. Dr. Omayra Torres erklärte ihnen, dass er den Mann auf jeden Fall binnen weniger Minuten getötet hätte, selbst wenn er nicht mit dieser atemberaubenden Treffsicherheit abgefeuert worden wäre, der Tod wäre dann allerdings qualvoller gewesen, meinte sie, denn die Spitze sei mit Curare getränkt, einem tödlichen Gift, das die Indianer bei der Jagd und auf Kriegszügen einsetzten und für das kein Gegenmittel bekannt war.
    »Das geht zu weit! Auch ich hätte getroffen werden können!«, ereiferte sich Leblanc.
    »Da haben Sie Recht«, bestätigte César Santos.
    »Das ist Ihre Schuld!«, blaffte der Professor.
    »Meine Schuld?« César Santos konnte es nicht fassen.
    »Sie sind der Führer! Sie sind für unsere Sicherheit verantwortlich, dafür bezahlen wir Sie!«
    »Aber auf Kaffeefahrt sind wir hier eigentlich nicht, Herr Professor.«
    »Wir kehren auf der Stelle um. Ist Ihnen überhaupt klar, welchschwerer Verlust es für die gesamte Wissenschaft wäre, wenn Ludovic Leblanc etwas zustoßen würde?« Der Professor war außer sich.
    Die Expeditionsteilnehmer schwiegen betreten. Keiner wusste, was er sagen sollte, bis Kate Cold das Wort

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