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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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lähmte. Das Pflanzendickicht wucherte üppig undverströmte einen Geruch nach Zersetzung, aber in der Abenddämmerung öffneten sich manchmal große Blüten von Schmarotzerpflanzen, die auf den Bäumen wurzelten, und erfüllten die Luft mit einem süßen Duft nach Vanille und Honig. Weiße Reiher beobachteten die Boote reglos zwischen hohem Schilf, das die Ufer säumte, und überall gab es bunt schillernde Schmetterlinge.
    Zuweilen ließ César Santos unter Bäumen anhalten, deren Äste dicht über das Wasser ragten, und man brauchte nur die Hand auszustrecken, um ihre Früchte zu pflücken. Die hatte Alex noch nie gesehen und wollte sie nicht probieren, aber die anderen ließen es sich schmecken. Einmal lenkte der Führer die Boote zu einer Pflanze, von der er sagte, sie sei ein hervorragendes Mittel zur Wundheilung. Dr. Omayra Torres bestätigte das und riet Alex, die Narbe an seiner Hand mit dem Pflanzensaft einzureiben, aber das war eigentlich nicht mehr notwendig, denn die Wunde war gut verheilt. Man sah bloß noch eine rote Linie, die kein bisschen wehtat.
    Kate Cold erzählte, dass viele Leute in dieser Gegend nach der sagenumwobenen Stadt El Dorado gesucht hatten, wo der Legende zufolge die Straßen mit Gold gepflastert waren und die Kinder mit Edelsteinen spielten. Wagemutig hatten sie sich auf dem Amazonas und dem Orinoko stromaufwärts gekämpft und waren doch nie bis ins Herz dieser verwunschenen Region gelangt. Sie waren ums Leben gekommen oder hatten den Rückzug angetreten, mussten sich den Indianern, den Moskitos, den Raubtieren, den Tropenkrankheiten, der schwülen Hitze und den unüberwindlichen Wasserfällen geschlagen geben.
    Hier irgendwo verlief die Landesgrenze, aber das hatte nichts zu bedeuten, dies alles war ein einziger vorzeitlicher Garten Eden. Anders als der Río Negro waren die Flüsse, auf denen sie nun fuhren, menschenleer. Sie trafen keine anderen Boote, sahen weder Kanus noch Pfahlbauten, weit und breit keine Menschenseele. Die Pflanzen- und Tierwelt aber war prächtig, ein Fest für die Fotografen, die noch nie so viele unterschiedliche Bäume, Schlingpflanzen, Blüten, Insekten, Vögel und sonstige Tiere vor der Linse gehabt hatten. Sie sahen grüne und rote Papageien, wie zu einem Galaempfang herausgeputzte Flamingos, Tukane, derenübergroße Schnäbel für die zierlichen Köpfchen viel zu schwer schienen, scharenweise Singvögel und Sittiche. Viele dieser Vogelarten waren vom Aussterben bedroht, weil die Schmuggler sie erbarmungslos jagten und ins Ausland verkauften. Die verschiedenen Affen, die sich fast wie Menschen gebärdeten und herumtollten wie Kinder, schienen sie von den Bäumen herab zu grüßen. Sie sahen Weißwedelhirsche, Ameisenbären, Baumstachler und andere kleine Säugetiere. Etliche prachtvolle Papageien – oder Aras, wie sie auch genannt werden – folgten ihnen über weite Strecken. Diese großen, vielfarbigen Vögel segelten über die Boote, als wären sie neugierig auf die sonderbaren Wesen, die darin reisten. Leblanc zielte mit seiner Pistole auf einen besonders prächtigen, aber César Santos hieb ihm gerade noch rechtzeitig auf den Unterarm, und der Schuss ging daneben. Der Knall schreckte andere Vögel und die Affen auf, der Himmel war erfüllt vom Geflatter, aber unverdrossen kehrten die Papageien wenig später zurück.
    »Was fällt Ihnen ein, auf sie zu schießen?«, fuhr César Santos den Anthropologen an. »Man kann sie nicht essen, ihr Fleisch schmeckt bitter.«
    »Ich mag aber die Federn«, sagte Leblanc, sichtlich verärgert über das Eingreifen des Führers.
    »Dann kaufen Sie sich welche in Manaus«, war alles, was César Santos dazu sagte.
    »Die Aras lassen sich zähmen. Meine Mutter hat einen«, erzählte Dr. Omayra Torres. »Er begleitet sie überallhin und fliegt dabei immer zwei Meter über ihrem Kopf. Wenn meine Mutter auf den Markt geht, folgt der Ara dem Bus, bis sie aussteigt, wartet auf einem Baum, während sie ihre Einkäufe erledigt, und begleitet sie wieder nach Hause wie ein treues Hündchen.«
    Auch hier konnte Alex feststellen, dass die Klänge seiner Flöte Affen und Vögel in ihren Bann schlugen. Vor allem Borobá schien einen Narren an der Flöte gefressen zu haben. Wenn Alex spielte, hockte das Äffchen reglos da, hörte aufmerksam zu und machte ein feierliches Gesicht; manchmal sprang der Affe Alex an, zerrte an dem Instrument und bettelte um Musik. Alex tat ihm den Gefallen gern, denn er war froh, endlich ein

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