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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hingen.
    »Es tut nicht weh, weil sie eine Art Betäubung spritzen, ehe sie das Blut einsaugen«, erklärte ihm César Santos.
    Dann zeigte er ihm, wie man die Egel mit einer Zigaretteausbrannte, damit die Zähnchen nicht in der Haut stecken blieben und sich die Bisse nicht entzündeten. Die Methode war für Alex etwas umständlich, weil er nicht rauchte, aber ein wenig glühender Tabak aus der Pfeife seiner Großmutter tat es auch. Es war einfacher, die Biester loszuwerden, als dauernd darauf zu achten, dass man keine bekam.
    Von Anfang an spürte Alex zwischen den erwachsenen Expeditionsteilnehmern eine unterschwellige Spannung: Sie trauten einander nicht über den Weg. Außerdem fühlte er sich beobachtet, im Unterholz lauerten Tausende von Augen, denen keine Bewegung der Boote entging. Er konnte es nicht lassen, über die Schulter zurückzusehen, aber niemand folgte ihnen auf dem Fluss.
    Die fünf Soldaten waren Caboclos, die aus der Gegend stammten und kein Englisch sprachen. In ihren Uniformen konnte Alex sie kaum auseinander halten. Sie hatten sich auf die Boote aufgeteilt, unterhielten sich aber mit niemandem und starrten nur auf die Ufer. Anders als die Caboclos waren Matuwe und Karakawe rein indianischer Abstammung. Matuwe plauderte mit Joel González auf Spanisch und machte ihn und Timothy Bruce hin und wieder auf eine besondere Pflanze oder ein Tier aufmerksam, während Karakawe die meiste Zeit damit beschäftigt war, die Sonderwünsche des Professors zu erfüllen. Dr. Omayra Torres meinte, Karakawe würde sich nicht wie ein richtiger Indianer benehmen und vielleicht nie wieder bei seinem Stamm leben können.
    Die Indianer benutzten alles, was sie hatten, gemeinsam, und dem Einzelnen gehörten nur ein paar Waffen und einfache Werkzeuge, die er bei sich tragen konnte. Jeder Stamm besaß ein Schabono, eine große, runde Gemeinschaftshütte mit Blätterdach, die sich nach innen zu einem Platz öffnete. Dort lebten sie zusammen und teilten, angefangen beim Essen bis hin zur Erziehung der Kinder, alles miteinander. Aber der Kontakt mit den Fremden zerstörte die indianische Gemeinschaft: Die Indianer wurden nicht nur mit körperlichen Krankheiten angesteckt, auch ihre Seelen erkrankten. Kaum hielten sie eine Machete, ein Messer oder irgendeinen anderen Gegenstand aus Metall in Händen, da änderte sich ihr Dasein für immer. Mit einer einzigen Machete konnten sie die Maniok- und Maisernte in ihren kleinen Gärten beträchtlichsteigern. Mit einem Messer fühlte sich jeder dahergelaufene Krieger wie ein Gott. Die Indianer empfanden die gleiche Gier nach Stahl wie die Fremden nach Gold. Karakawe hatte die Phase der Macheten bereits hinter sich und war bei den Schusswaffen angekommen: Er trennte sich nie von seiner vorsintflutlichen Pistole. Für so jemanden, der mehr an sich selbst als an die Gemeinschaft dachte, war im Stamm kein Platz. Diese Einstellung wurde als eine Form von Geisteskrankheit betrachtet, als wäre man von einem Dämon besessen.
    Karakawe war düster und einsilbig, unvermeidliche Fragen beantwortete er so knapp wie möglich; er verstand sich nicht gut mit den Ausländern, nicht mit den Caboclos und mit Matuwe auch nicht. Er bediente Ludovic Leblanc missmutig, und wenn er das Wort an den Anthropologen richten musste, blitzte in seinen Augen der Hass auf. Er aß nicht mit den anderen, trank keinen Tropfen Alkohol und hielt sich abseits, wenn sie nachts ihr Lager aufschlugen. Einmal überraschten Nadia und Alex ihn dabei, wie er das Gepäck der Ärztin durchstöberte.
    »Vogelspinne«, war alles, was er dazu sagte.
    Die beiden nahmen sich vor, ihn im Auge zu behalten.
    ~
    Je weiter sie vorankamen, desto schwieriger wurde die Fahrt auf dem Fluss, denn er verengte sich immer wieder zu tosenden Stromschnellen, in denen die Boote zu kentern drohten. Dann wieder schien sich das Wasser zu stauen, und es trieben tote Tiere, modrige Baumstämme und Äste darin, an denen sie nicht vorbeikamen. Sie mussten die Motoren abstellen, sich rudernd vorankämpfen und mit Bambusstangen die Hindernisse beiseite schieben. Nicht selten entpuppten die sich als große Kaimane, die von oben betrachtet wie Baumstämme aussahen. César Santos erklärte, dass bei niedrigem Wasserstand die Jaguare, bei Hochwasser die Schlangen zum Fluss kamen. Sie sahen einige große Schildkröten, und einmal zeigte ihnen César Santos einen anderthalb Meter langen Zitteraal, der starke Stromstöße austeilen konnte und damit seine Opfer

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