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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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daran gewöhnt, ständig zusammenzuhängen, dass der Affe für Nadia fast so etwas wie ein zusätzliches Körperteil war und sie jede Trennung, auch die kürzeste, als eine Art Amputation empfand.
    ~
    Bei Sonnenaufgang erwachte das Leben in der goldenen Stadt, und das Tal das Götter erstrahlte in allen Rot-, Orange- und Rosatönen. Die Bestien brauchten allerdings viele Stunden, bis sie ihre Schläfrigkeit abgeschüttelt hatten und eine nach der anderen aus ihren Höhlen zwischen den Felsen und Kristallformationen krochen. Alex und Nadia zählten elf, drei waren offensichtlich männlich, acht weiblich, manche etwas größer als andere, aber alle ausgewachsen. Anscheinend hatten sie keine Kinder, und die beiden fragten sich, ob sie überhaupt jemals welche bekamen. Walimai sagte, ganz selten werde ein Gott geboren, er habe das noch nie erlebt, allerdings habe er auch noch keinen sterben sehen, wisse aber von einer Grotte im Labyrinth, wo ihre Gebeine ruhten. Alex fand seine Theorie bestätigt und stellte sich vor, dass diese urzeitlichen Säugetiere in ihrem jahrhundertelangen Leben vielleicht ein- oder zweimal Nachwuchs bekamen, was es unwahrscheinlich machte, eine Geburt zu erleben. So behäbig, wie die sich bewegen, sind sie bestimmt keine Jäger und ernähren sich größtenteils von Pflanzen, dachte Alex, der sie nun endlich einmal aus der Nähe betrachten konnte. Die riesigen Klauen schienen nicht zum Töten, sondern zum Klettern zu dienen. Damit konnten die Bestien selbst mit ihrem Tonnengewicht leicht die steile Felswand hinter dem Wasserfall hinauf- und hinunterkommen. Sie brauchten bloß dieselben Vorsprünge und Einkerbungen zu benutzen wie die Indianer. Wie viele waren wohl außerhalb des Berges unterwegs? Nur eine oder gleich ein Dutzend? Er hätte so gerne einen Beweis für das, was er hier sah, mit nach Hause genommen!
    Viele Stunden später trat der Rat zusammen. In einer Art Amphitheater inmitten der goldenen Stadt ließen sich die Bestien im Halbkreis nieder, und Walimai setzte sich mit Nadia und Alex ihnen gegenüber. Neben diesen Kolossen nahmen sie sich winzig aus. Zuerst kam es ihnen so vor, als würden die massigen Körper beben, denn ihre Umrisse verschwammen ein bisschen, aber dann merkten sie, dass im Pelz der Bestien ganze Völkerscharen unterschiedlicher Insekten hausten, von denen manche wie Fruchtfliegen um sie herumschwirrten. In der glutheißen Luft sah das aus, als hüllte sie eine Wolke ein. Die Bestien waren nur ein paar Meter weg, so dass Alex und Nadia alles genau erkennen, aber dochnotfalls die Flucht ergreifen konnten, obwohl beiden klar war, dass keine Macht der Welt sie würde retten können, falls einer dieser elf Riesen entschied, sie mit seinem Gestank zu betäuben. Walimais Verhalten hatte etwas Feierliches und Ehrfürchtiges, aber Angst schien er nicht zu haben.
    »Dies sind Aguila und Jaguar, Fremde, die als Freunde zu den Nebelmenschen gekommen sind. Sie sind hier, um Anweisungen zu erbitten«, sagte der alte Schamane.
    Diese Einleitung wurde mit einem nicht enden wollenden Schweigen aufgenommen, als brauchten die Bestien eine halbe Ewigkeit, bis die Bedeutung der Worte in ihre Gehirne durchgesickert war. Dann begann Walimai mit einem langen, in Verse gefassten Bericht über die jüngsten Vorkommnisse bei den Nebelmenschen, angefangen bei den Geburten der letzten Zeit bis hin zum Tod des Häuptlings Mokarita, er erzählte von den Visionen, in denen der Rahakanariwa aufgetaucht war, vom Besuch im Tiefland, von der Ankunft der beiden Fremden und der Wahl Iyomis zum Häuptling der Häuptlinge. Im Schneckentempo entspann sich ein Dialog zwischen dem Zauberer und den wilden Göttern, dem Alex und Nadia ohne Mühe folgen konnten, weil sie nach jedem Wort Zeit zum Nachdenken hatten und sich untereinander darüber beratschlagen konnten, was gemeint war. So erfuhren sie, dass die Nebelmenschen seit Anbeginn der Zeit von der goldenen Stadt wussten, dieses Geheimnis eifersüchtig gehütet und so die Götter vor der Außenwelt geschützt hatten, während diese wiederum die Geschichte des Stammes Wort für Wort in ihrem Gedächtnis behielten. Es hatte große Naturkatastrophen gegeben, durch die diese Oase, die der Tepui umschloss, so stark in Mitleidenschaft gezogen worden war, dass die Nahrung, die hier wuchs, für die Bewohner nicht mehr ausreichte. In diesen Zeiten hatten die Indianer den Göttern »Opfergaben« gebracht: Mais, Kartoffeln, Maniok, Früchte und Nüsse. Sie waren

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