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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Walimai fand die erste Frage von Alex wohl unnötig und auf die andere wusste er vielleicht keine Antwort, denn Kate hatte doch erzählt, dass die Indianer nur bis zwei zählen können.
    Der Zauberer führte sie am Rand des Berghangs entlang um das Tal herum zu einer kleinen Felshöhle, worin sie es sich, so gut es ging, bequem machten, und brach dann auf, um etwas zu essen zu suchen. Er kehrte mit einigen stark duftenden Früchten zurück, die Nadia und Alex noch nie gesehen hatten, aber weil sie beide so hungrig waren, stellten sie keine Fragen, sondern putzten sieeinfach weg. Von einem Moment auf den anderen war es Nacht geworden, und undurchdringliche Dunkelheit hüllte sie ein; die Stadt aus falschem Gold, die sie noch eben mit ihrem Schimmer bezaubert hatte, versank im Schatten. Walimai versuchte nicht, die zweite Fackel zu entzünden, die er bestimmt für den Rückweg aufheben wollte, und auch sonst brannte nirgends ein Licht. Diese wilden Götter können zwar reden, und vielleicht verhalten sie sich ja auch sonst ein bisschen wie Menschen, dachte Alex, aber eigentlich müssen sie primitiver sein als die steinzeitlichen Höhlenbewohner, wenn sie noch nicht einmal entdeckt haben, wie man Feuer macht. Im Vergleich dazu waren die Indianer hoch entwickelt. Aber warum verehrten die Nebelmenschen sie dann als Götter?
    Es war noch immer schwülheiß, als befänden sie sich im Innern eines schlafenden Vulkans, der Hitze und Feuchtigkeit ausschwitzte. Keine besonders verlockende Vorstellung, auf einer dünnen Schicht Erde zu liegen, wenn unter einem die Flammen der Hölle lodern, dachte Alex, aber wenn es tatsächlich ein Vulkan war, dann war er jedenfalls seit vielen tausend Jahren nicht ausgebrochen, denn das sah man doch an der üppigen Vegetation, und es wäre schon verdammt viel Pech, sollte es ausgerechnet in der Nacht passieren, wenn er hier zu Besuch war. Die nächsten Stunden schleppten sich dahin. Nadia und Alex konnten in dieser unbekannten Umgebung kaum Schlaf finden. Zu deutlich stand ihnen das Bild des toten Soldaten noch vor Augen. Die Bestie musste ihn mit ihren gewaltigen Klauen auf derart widerliche Weise ausgeweidet haben. Warum war der Mann nicht geflohen oder hatte geschossen? So langsam, wie dieses Wesen sich bewegte, hätte er doch jede Menge Zeit dazu gehabt. Das war nur mit dem lähmenden Gestank zu erklären. Und sie würden keine Chance haben, wenn die Bestien diese Waffe gegen sie einsetzen wollten. Es half nicht, sich die Nase zuzuhalten, der Gestank drang durch alle Poren, vernebelte einem das Gehirn und raubte einem jeden Willen; er war genauso tödlich wie das Curare.
    »Sind das Menschen oder Tiere?«, versuchte Alex, etwas aus Walimai herauszubringen, der aber mit der Frage nichts anfangen konnte, weil es für ihn keinen Unterschied machte.
    »Wo kommen sie her?«
    »Sie waren immer da, sie sind Götter.«
    Alex stellte sich den Talkessel des Tepuis als eine Art Archiv der Natur vor, in dem Lebewesen überdauert hatten, die sonst auf der Erde ausgestorben waren. Er sagte zu Nadia, die Bestie sei bestimmt ein Vorfahr der Faultiere, die man heute kannte.
    »Sie haben so wenig mit Menschen gemeinsam, Aguila. Wir haben keine Häuser gesehen, keine Werkzeuge oder Waffen, nichts, was irgendwie auf ein Stammesleben schließen lässt.«
    »Außer, dass sie sprechen, Jaguar.«
    »Es müssen trotzdem Tiere sein, Tiere, die einen sehr langsamen Stoffwechsel haben und bestimmt ein paar hundert Jahre alt werden. Mal angenommen, sie haben ein Gedächtnis, dann können sie doch in dieser Zeit eine Menge lernen, vielleicht sogar das Sprechen, oder?«
    »Sie sprechen die Sprache der Nebelmenschen. Wer hat die erfunden? Haben die Indianer sie den Bestien beigebracht? Oder die Bestien den Indianern?«
    »Auf jeden Fall müssen die Indianer und diese Urzeitfaultiere seit Jahrhunderten in einer symbiotischen Beziehung miteinander leben«, sagte Alex.
    »In einer was?« Nadia hatte diesen Ausdruck noch nie gehört.
    »Ich meine, sie müssen einander zum Leben brauchen.«
    »Wieso?«
    »Keine Ahnung, aber ich finde es bestimmt heraus. Ich habe mal gelesen, dass die Götter die Menschen genauso nötig haben wie die Menschen die Götter.«
    »Dieser Rat der Bestien dauert bestimmt nervtötend lang. Besser, wir schlafen ein bisschen, damit wir morgen halbwegs fit sind«, sagte Nadia und rollte sich auf die Seite. Sie musste Borobá verscheuchen, denn die Hitze war nicht auszuhalten. Aber die beiden waren so

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