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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ließe sich zumindest eine Invasion der Abenteurer und Siedler verhindern, die den Urwald platt machen und seine Bewohner ausrotten würden. Aber was, wenn irgendein Unternehmen in Hollywood auf die Idee kam, den ganzen Tepui in eine Art Disneyland oder Jurassic Park zu verwandeln? Eine Horrorvision: Die Bestien hinter Gittern und die Nebelmenschen in knallbunten Uniformen aus Polyacryl, wie sie den Touristen Zuckerwatte verkaufen. Völlig auszuschließen war das nicht, aber irgendwie musste es seiner Großmutter mit ihren Reportagen gelingen, diesen Albtraum wenigstens vorerst abzuwenden.
    ~
    Die wilden Götter bewohnten verschiedene Felshallen in der sagenumwobenen Stadt. Sie waren Einzelgänger, die ihre Schlafräume nicht miteinander teilten. Trotz ihrer Größe aßen sie wenig, kauten stundenlang auf Blättern, Früchten oder Wurzeln herum, und zuweilen verspeisten sie auch kleine Tiere, die bereits tot waren oder ihnen schwer verwundet vor die Füße fielen. Nadia konnte sich mit den Bestien sogar besser verständigen als Walimai. Einige der Weibchen schienen sich irgendwie für sie zu interessieren und erlaubten ihr, näher zu kommen, denn Nadia wollte sie unbedingt einmal anfassen. Aber als sie in den borstigen Pelz griff, krabbelten Scharen der unterschiedlichsten Insekten ihren Arm hoch, schlüpften unter ihr T-Shirt und verfingen sich in ihren Locken. Nadia versuchte verzweifelt, sie abzuschütteln, aber die meisten blieben in ihren Kleidern und Haaren hängen. Walimai führte sie und Alex zu einem der Seen in der goldenen Stadt, und Nadia stürzte sich ins Wasser, das angenehm lau war und sprudelte. Wenn man untertauchte, kitzelten einen die Luftbläschen. Sie winkte zu Alex hinüber, und zusammen planschten sie lange herum, bis sie endlich den ganzen Staub und Schweiß der letzten Tage los waren.
    Unterdessen hatte Walimai in einer Kalebasse das Mark einer Frucht mit großen schwarzen Kernen zerdrückt und mischte es jetzt mit dem Saft einiger blauschimmernder Trauben. Es entstandeine brombeerfarbene Paste, dickflüssig wie die Knochensuppe, die sie zu Mokaritas Beisetzung getrunken hatten, aber diese hier schmeckte lecker und duftete stark nach Honig und Nektar. Der Schamane ließ zunächst die Götter davon trinken, dann nahm er selbst einen Schluck und gab danach Nadia, Alex und auch Borobá etwas davon. Der nahrhafte Saft stillte augenblicklich ihren Hunger, und sie fühlten sich ein wenig beschwipst, als hätten sie Alkohol getrunken.
    Die Nacht durften sie in einer der Felskammern in der goldenen Stadt verbringen, wo die Hitze nicht so drückend war wie in der Höhle am Berghang. Hier wuchsen aus den Felsspalten die sonderbarsten Orchideen, von denen manche so stark dufteten, dass es einem in ihrer Nähe den Atem verschlug. Es begann zu regnen, und lange trommelten die Tropfen auf den Fels, prasselten als warme, dichte Dusche vor dem Eingang der Kammer auf den Boden und rauschten in Bächen über die Kristallformationen. Als es schließlich zu regnen aufhörte, erhob sich ein kühler Luftzug, und Alex und Nadia legten sich erschöpft auf den harten Felsboden von El Dorado und sanken mit dem Gefühl, den Bauch voller duftender Blumen zu haben, in tiefen Schlaf.
    Walimais Trank hatte die magische Kraft, sie in das Reich der Mythen und gemeinsamen Träume zu entführen, wo alle, Götter und Menschen, dieselben Dinge sahen. Das sollte ihnen am folgenden Tag viele Worte, viele Erklärungen ersparen. Sie träumten, dass der Rahakanariwa in einer versiegelten Holzkiste gefangen war und mit seinem starken Schnabel und den furchteinflößenden Fängen wütend auf die Bretter einhieb, um sich zu befreien, während Götter und Menschen, an Bäume gefesselt, ihrem Schicksal entgegensahen. Sie träumten, dass die Nahab, deren Gesichter hinter Masken verborgen waren, sich gegenseitig umbrachten. Sie sahen, wie der menschenfressende Vogel die Holzkiste in Stücke hieb und alles zu verschlingen drohte, aber da stellten sich ihm ein weißer Adler und ein schwarzer Jaguar in den Weg und forderten ihn zu einem Kampf auf Leben und Tod heraus. Wie so oft in Träumen, so wurde ihnen auch in diesem nicht offenbart, wie das Duell endete. Alex erkannte den Rahakanariwa wieder, denn es war der Geier, der in seinem Albtraum zu Hause eine derFensterscheiben zertrümmert, mit den widerlichen Fängen seine Mutter gepackt und weggeschleppt hatte.
    Als sie am Morgen erwachten, brauchten sie einander nicht zu erzählen, was sie

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