Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)
Inhalt des Buches einzugehen, eine Taktik, die mehr Interesse weckte, als es das Buch an sich getan hätte. Laut Trofim hatten sich alle Lichtgestalten – er nannte sie jedoch Spukgestalten – der rumänischen Exilkultur angekündigt: Toninescu, der Dramatiker des Absurden; Ciulan, der pessimistische Philosoph; Elianu, der Mythenhistoriker; sogar der über neunzigjährige Surrealist Tristan Isoldou. Es wäre wie in einem Stück Toninescus: In Paris wurde das Buch eines abwesenden Autors vorgestellt, und in Bukarest stellte der anwesende Autor zur gleichen Zeit ein Buch vor, das er nicht geschrieben hatte. Absurdes Theater in Reinform.
Wenn Hadrian den Namen eines in Ungnade gefallenen Dichters oder Politikers auf der Gästeliste entdeckte, bat er Trofim, noch einmal darüber nachzudenken: »Herr X ist ein bekannter Reaktionär, verstrickt in antisozialistische Umtriebe. Frau Y pflegt Freundschaften mit fortschrittsfeindlichen Kadern, Genosse, und was Petrescu den Ikonenmaler betrifft, so ist er ein berüchtigter Fanatiker, der unter der Hand religiöse Ikonographie verbreitet …«
»Wie Sie sehen, ist Hadrian ein vorbildlicher Lektor«, sagte Trofim milde und nachsichtig. »Er hat das Buch lektoriert, und nun lektoriert er meine Freundschaften!«
Hadrian sah mit dünnem, trotzigem Lächeln von der Liste auf und verkündete stolz: »Ich habe versucht, dem Genossen hier und da zu helfen, das stimmt. Die Erinnerung hat manches verfälscht, der Ton stimmte nicht immer, und leider gab es manchmal die Neigung, subjektive Urteile über Sachverhalte zu fällen, deren Beurteilung besser der objektiven historischen Perspektive überlassen bleiben sollte.« Ich hatte noch nie jemanden erlebt, der die offizielle Parteilinie aus so tiefer Überzeugung vertrat.
Während ich in dem Buch blätterte, hatte ich das Gefühl, auf Pappe zu kauen. Trofims acht Jahre bei der UNO wurden auf neun Seiten abgehandelt; drei davon schilderten den Besuch von Nicolae und Elena Ceaușescu. Es las sich unerhört zäh, denn man hatte alles gestrichen, was von Interesse gewesen wäre. Begegnungen mit Nixon, Kissinger, de Gaulle wurden in einem Satz abgehakt. Kuba-Krise und Vietnamkrieg, der Aufstand in Ungarn, der Mai 1968 in Paris – alles, was Trofim miterlebt hatte oder woran er beteiligt gewesen war, fehlte. Der Name Stalin fiel nur ein einziges Mal, obwohl ich aus dem Original wusste, dass Trofim eine sowohl enge als auch schwierige Beziehung zu ihm gehabt hatte. Im gesamten Buch hatte man wahllos Passagen eingestreut, die Rumäniens Produktivität priesen oder aus Lobeshymnen zitierten, die Staatschefs aus der Dritten Welt auf den Conducător gehalten hatten. Das einzige Foto, auf dem Trofim nicht mit Ceaușescu zu sehen war, zeigte ihn als Baby, aber sogar hier hatte man seinen Vater, den Rabbi, von der Wiege entfernt.
»Ein wichtiges Buch – das Leben eines Zeitzeugen.« Hadrian verkündete dies mit geschwellter Brust, sackte aber gleich wieder in sich zusammen wie das schlappe Häschen in der Werbung für Duracell-Batterien.
Wir lebten in einer Welt der Schemen und Schatten, der doppelten und dreifachen Bluffs, wie Leo sie praktizierte. Dieses Buch, Resultat ausufernder Zensur und massiver Streichungen, war der Schatten, der verstümmelte Zwilling einer viel brisanteren und subversiveren Neuerscheinung.
Trofim hatte beide Versionen im Kopf: eine zum Gähnen langweilig, die andere gewagt und bissig und dazu angetan, ihm schärfste Rügen einzubringen. »Ja, ich denke, das Buch wird Aufsehen erregen. Das hoffe ich jedenfalls. Der Verlag verfolgt eine kluge Strategie – das Buch wird in allen großen Zeitungen Erwähnung finden, und man wird mich einladen, um es zu bewerben. Ich bin sehr zufrieden.«
Hadrian nickte lächelnd, aber leicht verwirrt, und versuchte sich die kluge Strategie des Staatsverlags in Erinnerung zu rufen. »Nun, die Signierstunde, die nächsten Monat im Buchladen Luminea stattfindet, wird sicher viele dankbare Genossen anlocken, und ich kenne die Besprechungen, die in der Scînteia und der Săptămîna erscheinen werden. Sie sind euphorisch.«
»Das will ich hoffen«, murmelte Trofim. »Schließlich sind Sie der Rezensent.«
»Haben Sie schon überlegt, was Sie tun werden, wenn man Ihnen auf die Schliche kommt?«, fragte ich, nachdem Hadrian gegangen war. »Sie könnten Ihre Privilegien verlieren, Ihre Wohnung, Ihre Parteirente. Vielleicht verhaftet man Sie.«
»Ja, ich weiß. Ich genieße ganz sicher keine
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