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Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Titel: Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick McGuinness
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interessiert sind, bringen wir sie anderswo unter. Aber wenn Sie interessiert sind, sollten Sie sie nutzen, verflucht nochmal.«
    Wintersmith steckte die Bilder in seine Aktentasche. »Mal schauen, was sich tun lässt. Wir arbeiten nicht gern mit Material von unbekannter Herkunft. Deshalb brauchen wir unbedingt Informationen über Ihre Quelle.«
    »Sie brauchen unsere sogenannte ›Quelle‹ bestenfalls, um Informationen über Öl- oder Waffendeals zu erpressen, damit Ihre Busenfreunde in der Botschaft noch lukrativere Geschäfte machen können.«
    »Sind dies die einzigen Kopien?« Wintersmith überhörte Leo und wandte sich an mich.
    »Menschenrechte? Das ist doch was für Weicheier …« Leo stemmte sich vom Tisch hoch, ein leeres Glas in der Hand. »Nur ja die Genossen nicht beleidigen, damit sie uns noch ein paar Panzer abkaufen …«
    »Soweit ich weiß«, antwortete ich. »Aber es sind nur Kopien, und deshalb muss es irgendwo die Originale geben. Ich weiß allerdings auch nicht, wo.«
    »Und Sie haben die Fotos nicht selbst kopiert?« Da Leo an der Theke stand, musste ich das Lügen übernehmen.
    Ich sah ihm in die Augen und runzelte verletzt und enttäuscht die Stirn, wie ein Politiker, dem irgendjemand niedere Motive unterstellt. »Nein. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich Ihnen für die Informationen über die zwei Leichen etwas schuldig bin. Hiermit sind wir quitt.«
    »Ah, die zwei Leichen«, sagte er, als würde er sich erst jetzt daran erinnern. »Was ist aus der Sache geworden?«
    Leo spielte inzwischen Darts, und ich log allein weiter. »Die Spur lief ins Leere. Wir haben uns umgehört, und Leo hat Nachforschungen angestellt. Angeblich waren es Roma, die Stereoanlagen in einem Boot aus Jugoslawien schmuggeln wollten.«
    Wintersmith trank sein kleines Bier aus und ging. Er hatte die Fotos nur widerwillig an sich genommen, würde aber die Lorbeeren ernten, falls etwas damit anzufangen wäre. Er würde seinem Vorgesetzten weismachen, einen Tipp von einem Informanten erhalten zu haben, einem Mitglied des von ihm aufgebauten Netzwerkes, das seine Augen und Ohren überall in Bukarest hatte.
    »Er wird sie nicht verwenden«, sagte Leo entschieden. »Gut möglich, dass er die Fotos einem Vorgesetzten zeigt. Der schwankt und schwitzt ein bisschen und beschließt am Ende, die Fotos noch eine Etage höher vorzuzeigen, und dann geht es noch eine Etage höher und dann noch eine, bis alles wie durch Zauberhand in den Wolken verschwindet. Wintersmith wird die Leute daran erinnern, dass man sich die Rumänen für das nächste Geschäft warmhalten muss, und die Fotos landen in der Akte mit dem Vermerk ›Unwichtig‹. Reine Zeitverschwendung.«
    Vor dem Tor der Botschaft wies Leo mich auf den Securitate-Beamten auf der gegenüberliegenden Straßenseite hin, der uns unverhohlen anstarrte. »Man hat uns also tatsächlich beschattet«, sagte ich.
    »Aber sicher.« Leo hob eine Augenbraue à la James Bond. »Dreifacher Bluff. Grundlegende Spielregel. Wenn ich etwas über das Bluffen gelernt habe, dann dies: Man muss es stets mit einer ungeraden Zahl abschließen.«
    Einige Tage später erfuhr ich, dass Wintersmith für eine Woche beurlaubt worden war. Am Abend nach unserem Treffen hatte man ihn auf dem Heimweg brutal überfallen, seine Wohnung ausgeraubt und verwüstet. Er konnte keinen Schritt mehr ohne einen Schatten der Securitate tun, sein Diplomatenpass wurde eingezogen.

ZWEI
    Trofim verschickte von seiner Wohnung in Herastrau aus Einladungen für die vom Schriftstellerverband organisierte Präsentation seiner Memoiren. Der für ihn gewählte, unverfängliche Titel lautete Ein Leben im Dienst . Im Vorwort wurden die immensen Fortschritte beschrieben, die das Land unter Ceaușescu auf dem Weg vom tumben Bauernvolk zum Musterbild einer »wissenschaftlichen« Gesellschaft gemacht hatte. Hadrian »der Wall« Vintile, seines Zeichens Ghostwriter, kontrollierte die Gästeliste. Trofim, der während der Arbeit an seinem Buch so oft gedemütigt worden war, ließ auch dies über sich ergehen.
    Er hatte es so eingefädelt, dass beide Buchpremieren gleichzeitig stattfanden. Während wir am siebten Oktober im Haus des Schriftstellerverbandes auf Ein Leben im Dienst anstießen, wurde Das verratene Ideal in Paris in Abwesenheit des Autors im Club des Belles Lettres vorgestellt, den man ausgewählt hatte, weil er in unmittelbarer Nähe der rumänischen Botschaft lag. Trofims Verleger hatte Einladungen verschickt, ohne auf den

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