Die Abtrünnigen von Kregen
Ruderer diese Küstenstreifen beherrschten, hatte er den nötigen Rückhalt, um sich nach Westen zu wenden. Mit Prinz Glycas auf der anderen Seite, hatten die Grodnim dann die Zairer in der Zange.
Wie lange Sanurkazz brauchen würde, um die Lage zu erkennen und eine neue Armee gegen Pynzalu zusammenzuziehen, konnte nur vermutet werden. Ich wußte nicht, wie weit die finanziellen Mittel des Südens bereits erschöpft waren. Bekannt wir mir allerdings, daß beide Seiten schon große Summen für den Krieg aufgewendet hatten. Rot und Grün! Pah! Trotzdem spürte ich mein Blut schneller durch die Adern rinnen.
Nachdem ich wieder einmal einen ganzen Tag lang auf meiner Hebra Nachrichten hin und her befördert hatte – wobei ich übrigens die Zusammensetzung der Armee bestens kennenlernte –, marschierte Duhrra zu mir ins Zelt. Er war angeheitert.
»Heute nacht!« sagte er und warf sich auf sein Bett. »Heute nacht, mein Gadak der Grünen – heute nacht rücke ich aus!«
Ich nahm ihm die Flasche ab und roch daran. Dopa. Ich warf das Ding in die mondhelle Nacht hinaus, holte eine Wasserflasche und schüttete den ganzen Inhalt über Duhrra der Tage und sein Bett aus. Prustend und brüllend richtete er sich auf. Ich legte ihm eine Hand über den Mund. »Duhrra der Tage«, sagte ich dramatisch flüsternd. »Halt den Mund, wenn dir dein Leben lieb ist!«
Er starrte mich über meine Hand hinweg an.
»Wenn du ausrücken willst, mußt du einen Plan haben. Du brauchst Nahrung und Wasser, ein Reittier, einen Fluchtplan. Onker! Denk darüber nach, Duhrra der Tage!«
Ich nahm die Hand weg.
Er atmete heftig ein. Seine Augen waren blutunterlaufen.
»Aye, Gadak der Grünen! Deine Argumente sind raffiniert erdacht. Dabei tust du nichts für deine Flucht! Ich bilde mir langsam ein, daß du die verdammten Grodnim wirklich liebst. Du möchtest für immer bei ihnen bleiben. Ich finde, du ...«
»Ich habe auch nicht die Absicht zu fliehen«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich will mich nicht mit eingekniffenem Schwanz davonschleichen. Wenn ich mich absetze, dann stilvoll, so daß jeder es mitbekommt und sagt: ›Ja, das war ein Zairer!‹«
»Hübsche Worte!«
»Aye.«
Er wußte immer noch nicht, was er von mir halten sollte. Den religiösen Ritualen, die ich insgeheim für lächerlich hielt, war ich getreu gefolgt. Er hatte wirklich ein Recht, zu zweifeln, hatte ich doch selbst zu zweifeln begonnen.
Ich bin mein ganzes Leben lang Einzelgänger gewesen. Nur gegenüber Delia hatte ich mich jemals völlig offen geäußert. Und doch habe ich auf Kregen viele gute Freunde, das wissen Sie.
»Gadak, der große Ränkeschmied!« setzte Duhrra energisch nach. »Wann soll es also passieren?«
»Sobald sich die Gelegenheit bietet.« Ich belächelte seine Wort nicht. Sein energisches Auftreten paßte zu ihm. Duhrras Bestreben, nun endlich für Zair etwas zu tun , war grundlegend richtig.
Mein Problem war, daß ich ein Hai Jikai fertigbringen mußte ein spektakuläres Ereignis, über das die Menschen überall sprechen und das sie neben andere legendäre Taten aus der kregischen Geschichte stellen würden. Eine verdammt schwierige Aufgabe das wußte ich. Vielleicht stellte ich einen zu großen Anspruch.
»Uns geht es um die Ehre, Duhrra, doch ich schockiere dich wohl nicht übermäßig, wenn ich sage, daß die Ehre nur ein ärmlicher Ersatz ist für das Leben.«
»Ach – hast du meine Flasche weggeworfen?«
»Ja – und jetzt leg dich schlafen. Ich muß nachdenken.«
Meine Gedanken kreisten um meine kregischen Freunde und um meine Charakterfehler.
Dieses Gefühl der Unzufriedenheit mit mir selbst brachte mich auf die Überlegung, daß man sich ständig bemühen muß, seine Freunde zu behalten. Jedesmal galt diese Maxime für mich. Ich war nicht der Meinung, daß meine Kameraden mir bis in alle Ewigkeit treu bleiben würden, egal, was ich auch tat Vielmehr glaubte ich mich bei meinen Freunden immer wieder beweisen zu müssen. Wenn dies ein Mangel an Verständnis ist, so mag das denkbar sein, um so mehr, als ich andererseits überzeugt war, daß meine Zuneigung zu Seg und Nath und Inch und den anderen niemals leiden würde, auch wenn sie sich zuweilen albern aufführten oder mich aus einem gewissen Mangel an Moral heraus sogar anschmierten. Hier liegt wahrscheinlich der Beweis, daß ich ein echter Einzelgänger bin.
Ich hätte es damals nicht begriffen, wäre jemand zu mir gekommen, und hätte behauptet, ich täte meinen Freunden
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