Die Achte Fanfare
können.
Kimberlain legte die Hand auf die blutige Robe von Bruder Valette. Kugeln pfiffen um ihn herum, während er nach der Pistole des Toten tastete und sie dann Danielle gab.
»Schießen Sie weiter auf sie!« befahl er ihr. »Aber nicht gezielt. Sorgen Sie nur dafür, daß sie in Deckung bleiben. Benutzen Sie beide Pistolen, schießen Sie aus verschiedenen Winkeln. Sie sollen denken, daß wir beide das Feuer erwidern.«
Ohne auf Antwort zu warten, kroch der Fährmann zur anderen Seite der Sitzbankreihe, auf einen schmalen Gang zu, der zwischen den Bänken und der Wand verlief. Dort wandte er sich zum Kopf der Kapelle und verließ sich völlig auf seinen Orientierungssinn, um so nahe an den Altar heranzukommen, daß er die nötige Schußposition erreichte. Er mußte seine Deckung aufgeben, um zu schießen, und würde die Kette wahrscheinlich mindestens dreimal treffen müssen, bevor der Wandteppich hinabstürzte.
In seinen Ohren dröhnte das Echo der Schnellfeuersalven, darunter gemischt die absichtlich ungezielten Schüsse, mit denen Danielle die jungen Hashi in Schach hielt. Das sich nähernde Heulen von Sirenen vergrößerte das Chaos noch, und Kimberlain wußte, daß jeden Augenblick Hilfe kommen würde – doch würde es auch tatsächlich ›Hilfe‹ sein? Bei der Ankunft der Polizei würden die Kinder ihre Maschinengewehre fortwerfen, und die Mörder würden sich in scheinbare Opfer verwandeln; so einfach war das. Ihn und Danielle würde man als die Urheber des Chaos ansehen, und selbst wenn sie überlebten, um die Wahrheit zu berichten und Zeugen sie bestätigen sollten, würde wertvolle Zeit verlorengehen, in der die Hashi jederzeit an sie herankommen konnten. So oder so, die Gesellschaft der Assassinen würde den Sieg davontragen.
Der Fährmann erreichte die dritte Reihe von vorn und erhob sich auf die Knie. Er konnte den überhängenden Wandteppich nun deutlich sehen, wie auch die Kette, die ihn hielt. Um den benötigten Schußwinkel zu bekommen, würde er tatsächlich aufstehen müssen. Seine einzige Hoffnung, diesen Augenblick zu überleben, stellte Danielle dar; sie mußte ihr Feuer in diesem Moment verstärken, um ihm die Zeit zu verschaffen, die er brauchte.
Er hatte sich kaum hinter den Bänken, die ihm Deckung gaben, erhoben, als Danielle schneller und zielgenauer schoß, gleichzeitig mit beiden Pistolen. Als er stand, hatte er schon Ziel genommen, und der erste der jungen Killer entdeckte ihn erst, als er schon den ersten Schuß abgefeuert hatte. Es gelang ihm, fünfmal zu schießen, bevor sie wie erwartet das Feuer auf ihn eröffneten und er wieder in Deckung gehen mußte, doch nicht, bevor drei seiner Kugeln ihr Ziel gefunden hatten. Es mußte der fünfte und letzte Schuß gewesen sein, der die Stahlkette zerriß, denn der Wandteppich glitt nun langsam hinab. Wie in Zeitlupe sank er immer tiefer, und die Kinder blickten hilflos zu ihm hoch.
Er landete mit einem dumpfen Pochen auf ihnen; dann folgten die Geräusche, mit denen die Kanzel und die Verzierungen des Postamentes unter seinem Gewicht zusammenbrachen. Die Kinder wurden von schwerer Dunkelheit umschlossen, ebenfalls zu Boden gerissen und kämpften auf der Suche nach einem Ausweg gegen das Gewebe des Teppichs an.
Kimberlain lief zu Danielle zurück, und gemeinsam stürmten sie den Mittelgang der Kapelle entlang, vorbei an zitternden, zusammengekauerten Touristen, die beim ersten Anzeichen von Ärger in Deckung gegangen waren, anstatt ihr Heil in der Flucht zu suchen. Als sie den kleinen Eingang erreichten, hörten sie Schritte, die sich ihnen vom Hauptschiff der Kathedrale näherten.
»Hier entlang!« flüsterte Danielle und führte ihn zu einer Treppe, über die man das Kirchenmuseum und einen Nebenausgang erreichen konnte. Sie hatte genau wie Kimberlain begriffen, daß, da sich die heulenden Sirenen noch immer näherten, es sich nur um Hashi handeln konnte, die als Verstärkung dort gewartet hatten, vielleicht sogar mit Khaki-Uniformen als maltesische Polizei verkleidet.
Auf halber Höhe der Treppe hielt Kimberlain sie fest. Er hatte ähnliche Schritte aus dem Museum über ihnen gehört. Noch mehr Verstärkung! Sie waren umzingelt, und der Feind griff aus beiden Richtungen an!
Kimberlain konnte sich deutlich vorstellen, welches Ende die Sache nehmen würde. Die maltesische Sicherheitspolizei würde schießen und die Attentäter – offensichtlich Terroristen – töten, die einen Priester ermordet und in einer heiligen
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