Die Achte Fanfare
gehörte. McMurdo war von einer einfachen amerikanischen Forschungsstation zu einer kleinen Stadt angewachsen, die zum größten Teil völlig wirr durcheinander auf einem Hang errichtet war. Zwischen den einzelnen Gebäuden befanden sich gewaltige Vorratstanks. Es gab Gebäude mit Schlafräumen, Werkstätten, eine große Messe, eine Kapelle, Laboratorien, Garagen, ein Verwaltungsgebäude und eine Bar – alle durch unbefestigte Straßen miteinander verbunden, die entweder gefroren oder hoffnungslos schlammig waren. Von Wellblech umschlossene Abfluß- und Wasserrohre verliefen überirdisch von Gebäude zu Gebäude.
Das erste, was Danielle hörte, nachdem sie den Mini-Bus verlassen hatte, war das Geräusch eines Hubschraubers. Sie kniff die Augen zusammen und sah, wie ein großer roter Chopper der Navy von einem Landefeld neben einem weitläufigen Gebäude aufstieg, bei dem es sich um die Turnhalle von McMurdo handeln mußte. Hubschrauber waren hier lebenswichtig, da sie die einzige Möglichkeit darstellen, die gewaltigen Entfernungen zurückzulegen. Sie stellte fest, daß die roten Ungetüme der Navy über zusätzliche Treibstofftanks verfügten, und fragte sich, ob sie es damit nonstop bis zum Außenposten 10 schaffen würden. Doch selbst dann wußte sie immer noch nicht mit so einem Chopper umzugehen, was bedeutete, daß sie notfalls nicht nur einen Hubschrauber, sondern auch einen Piloten entführen mußte.
Als sie zu dem Verwaltungszentrum ging, bemerkte sie, daß auf den äußeren Gebäuden von McMurdo zahlreiche Antennen und Radarschüsseln über die Sicherheit des Ortes wachten. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, Verbindung mit dem Außenposten herzustellen, doch was hätte sie schon sagen sollen? Sie dachte noch darüber nach, als der Stationskommandant sie und die anderen Neuankömmlinge kurz und bündig begrüßte.
»Was ist dem denn für eine Laus über die Leber gelaufen?« fragte ein Journalist einen anderen.
»Es zieht ein starker Sturm auf, und er hat ein paar Forschungsteams draußen. Der Hubschrauber ist gerade gestartet, um sie zurückzuholen. Doch es wird knapp werden; der Sturm soll schon ganz in der Nähe sein.«
Danielle schluckte schwer. Gut möglich, daß der Journalist gerade, ohne es zu wissen, die Grabrede für die gesamte Zivilisation gehalten hatte. Die Kälte, die sich nun in ihr einnistete, war nicht nur auf die Temperatur zurückzuführen. Wenn sich ein Sturm vom Südpol her näherte, konnte man den Außenposten 10 auf keinen Fall mehr erreichen. Kurz gesagt, sie hing hier fest, und jeder Flugverkehr war zum Erliegen gekommen. Das galt auch für die C-130, mit der sie hierher geflogen war.
Außer …
Sie fand den Piloten der C-130 in der Bar von McMurdo; er wollte sich in den Stunden, die er hier festhing, ordentlich einen genehmigen. Sie setzte sich ganz in seine Nähe, so daß er sie bemerken mußte, und für den Fall, daß sein Interesse doch mehr dem Alkohol galt, ließ sie sich besonders viel Zeit, ihr Haar von der Kapuze des Parkas zu befreien. Wie alle anderen in der Bar zog sie den Parka nicht eher aus, bis ihre Körpertemperatur Gelegenheit gehabt hatte, sich den neuen Verhältnissen anzupassen.
»Sie waren heute morgen an Bord meiner Maschine«, sagte der Pilot über zwei Barhocker hinweg zu ihr.
Sie nickte und wartete auf den Barkeeper. »Ein schöner Flug. Der Service beim Mittagessen hätte jedoch besser sein können.«
»Das kann ich wiedergutmachen«, sagte er und glitt auf den Hocker neben ihr.
Hinter dem frostverkrusteten Fenster bewölkte sich der Himmel als erstes Zeichen des bevorstehenden Sturms.
»Was trinken Sie?« fragte der Pilot sie. Er nickte dem Barkeeper zu, daß der Drink auf seine Rechnung ging, und fügte hinzu: »Wenn Sie nichts dagegen haben, heißt das.«
»Nein, keineswegs.«
Der Pilot lächelte und wagte sich noch näher an sie heran. »Ich heiße Bob Padrone.«
»Maria King, Captain Padrone.«
»Bob, bitte . Den Nachnamen können Sie sich leicht merken, denn wenn Sie das ›d‹ und das ›r‹ vertauschen, kommt das Wort ›pardon‹ heraus, bis auf das ›e‹ am Ende natürlich.«
»Pardon, Bob.«
Der Pilot lachte lauthals.
Der Rest war einfach und in kaum einer Stunde erledigt. Sie trickste den Mann schamlos aus, und jedes Lächeln oder Blinzeln brachte ihn weiter unter ihre Kontrolle. Der Pilot trank ganz ordentlich, nicht übermäßig, hielt sich aber auch nicht zurück. Danielle nippte gelegentlich an ihrem zweiten
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