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Die Achte Fanfare

Titel: Die Achte Fanfare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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hatte er sich in sie hineinversetzen müssen, und noch vor Peet hatte er gespürt, wie ihr Haß ihn verzehrte. Er hatte gehofft, irgendwie die Schuld für seine Taten als Caretaker sühnen zu können, indem er ihnen nachspürte, doch ihre Opfer waren genauso tot wie die seinen. In den langen Wochen im Krankenhaus nach seiner Konfrontation mit Peet hatte er darüber nachgedacht, welche Richtung sein Leben eingeschlagen hatte, und war nicht mehr zufrieden damit gewesen. Überall nur Tod; seine gesamte Existenz wurde vom Tod beherrscht. Nichts hatte sich geändert, und es würde sich auch nichts ändern, bis er eine Möglichkeit fand, dem Leben wieder etwas abzugewinnen. Durch andere Menschen, denen ein Ventil für ihren Haß fehlte.
    Und er begann, seine alten Schulden zu begleichen. Zuerst langsam, bis dann immer mehr Menschen davon erfuhren und er mehr Anfragen erhielt, als er annehmen konnte. Man konnte ihn lediglich über ein Postfach erreichen, doch trotzdem machte die Nachricht die Runde. Irgendwie schienen Menschen, die seiner Hilfe bedurften, ihn immer zu finden, und er gewährte sie ihnen, weil er dabei zu sich selbst fand. Wie viele Menschenleben hatte er als Caretaker genommen oder zerstört? Kimberlain hatte sie damals nicht gezählt, genauso wenig, wie er jetzt Buch über die Zahl der Menschen führte, denen er Beistand leistete. Er wußte, daß irgendwann ein Gleichgewicht erreicht sein und er spüren würde, wenn es soweit war. Bis dahin würde er auch weiterhin seine Schulden begleichen.
    Doch nun hatte er es mit Lisa Eiseman und einer starrsinnigen Entschlossenheit zu tun, ihr Leben zu retten. Schon, als er Peets ersten Brief erhalten hatte, wußte er, daß sich ihm mit dieser Mordserie die Möglichkeit bot, seine Schulden endgültig zu begleichen.
    Hinter dem Fenster kam der Hartsfield International Airport von Atlanta in Sicht.

10
    »Wenn sonst nichts mehr vorliegt, sehe ich Sie dann bei der Vorführung in einer Stunde«, sagte Lisa Eiseman zum Abschluß der Konferenz. »Vielen Dank, meine Damen und Herren.«
    Die elf Abteilungsleiter, die ihr Bericht erstattet hatten, warteten, bis die Geschäftsführerin der TLP Industries sich erhob, bevor sie ihre Stühle zurückschoben. Die Geste drückte den Respekt für eine Person aus, die nicht nur ihr Arbeitgeber, sondern auch ein Freund war. In der Tat empfanden das alle so, von den Angestellten im Stammhaus der Firma in Atlanta über die Fließbandarbeiter in den vier Fabriken im ganzen Land bis hin zu den Lastwagenfahrern, die die fertigen Produkte auslieferten. Irgendwann hatte Lisa Eiseman jedem, der für sie arbeitete, schon einmal die Hand geschüttelt, und in jenem Augenblick hatte jeder mehr als nur einen höflichen Händedruck gespürt.
    Die Menschen spürten, daß sie der Frau, die hoch oben im Peachtree Tower im Präsidentensessel saß, nicht gleichgültig waren. Und daher konnte diese Frau sich auch ihrer Loyalität sicher sein.
    In eben diesem Sessel nahm sie nun Platz, nachdem sie durch die Verbindungstür zum Konferenzraum in ihr Büro getreten war. Sie war erschöpft. Die wöchentlichen Besprechungen waren notwendig, wenn auch nur als Bestätigung für ihre Abteilungsleiter, daß sie mit unvermindertem Interesse verfolgte, was in den jeweiligen Abteilungen vor sich ging. Doch in diesen Tagen fiel ihr diese Aufgabe besonders schwer; sie mußte sich einfach um zu viele andere Dinge kümmern. Sie hätte nie geglaubt, daß Erfolg so kompliziert sein konnte. Der Aufstieg an die Spitze hatte ihr wirklich Spaß gemacht; sie hatte jede Herausforderung angenommen. Doch dann hatte erst die richtige Arbeit begonnen. Sie hatte es immer genossen, den Tag mit dem Gefühl zu beenden, etwas erreicht zu haben, doch in letzter Zeit verließ sie das Büro immer später und ging mit der Erkenntnis zu Bett, daß sie mehr vor sich hergeschoben als abgeschlossen hatte. Die Arbeit stapelte sich einfach vor ihr auf, und ihre Weigerung, einen Teil ihrer Machtbefugnisse abzugeben, führte dazu, daß immer nur winzig schmale Breschen in die hohen Aktenstapel geschlagen wurden.
    Ihre Gegensprechanlage summte.
    »Ja, Amy?« sagte Lisa in die Sprechmuschel.
    »Mr. Kimberlain hat erneut angerufen, während Sie in der Konferenz waren«, sagte die Sekretärin.
    »Haben Sie ihm meine Nachricht nicht ausgerichtet?«
    »Doch, aber er sagte, er würde trotzdem vorbeikommen.«
    »Soll das heißen, daß er hier ist? In Atlanta?«
    »Er hat vom Flughafen aus

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