Die Achte Fanfare
Fährmann überlebt und ausgezeichnete Ergebnisse erzielt, weil er imstande war, die gleichen urtümlichen Quellen anzuzapfen wie in jener Nacht, als er in Barstow gegen die Motorradgang gekämpft hatte. Er war Herr über seine Gefühle, und er setzte sie ein, wie andere Waffen einsetzten. Die Verfolgung der Hashi erschien ihm eine logische Fortsetzung seiner Aufgabe. Als Zeus das nicht so sah, erkannte Kimberlain die Wahrheit: Er war nichts weiter als ein gedungener Mörder. Seine Leistung beeinträchtigte das nicht, doch innerlich begann er zu kochen.
Sein letzter Auftrag endete mit der Bestätigung all seiner Befürchtungen. Nach einer erfolgreich absolvierten Mission im Urwald Mittelamerikas ließ man ihn im Stich: Zeus holte ihn nicht zurück, und er war allein auf sich gestellt und tauchte drei Wochen später mehr Tier als Mensch wieder aus dem Dschungel auf. Seine dreijährige ›Dienstzeit‹ war beendet, doch der Fährmann lebte weiter. Durch Zeus' Verrat erkannte er, wie töricht seine Ziele gewesen waren. Um das Böse zu vernichten, hatte er sich von ihm einfangen lassen. Überdies wurde ihm klar, daß Zeus zuviel Macht besaß und seine Projekte nach bloßem Gutdünken verfolgte. Die Caretaker waren gefährlich geworden. Indem er die zuständigen Behörden informierte, brachte Kimberlain das Thema zur Sprache. Nachdem die falschen Stellen in Washington von der Existenz der Caretaker erfahren hatten, waren sie endgültig erledigt. Die Organisation wurde so leise und heimlich aufgelöst, wie man sie gegründet hatte. Zeus wurde auf einen ungefährlichen Schreibtischposten in der Verwaltung versetzt, damit die Regierung ihn unter Kontrolle halten konnte.
Was Kimberlain betraf, so erwies sich Kamanskis Versprechen, er habe finanziell endgültig ausgesorgt, als durchaus zutreffend, doch das war das einzige, worin er sich sicher fühlen konnte. Er fühlte sich in der Gegenwart anderer Menschen verkrampft und unbehaglich. Seine Paranoia trieb ihn in die Wälder, wo er zum Zeitvertreib Hütten und Ferienhäuser baute. Später widmete er sich der Aufgabe, antike Waffen zu restaurieren, in der Hoffnung, bei ihm würde sich vielleicht das Gefühl einstellen, in zivilisierteren Zeiten zu leben, indem er die Energie der edlen Krieger, die sie geschwungen hatten, in sich aufnahm.
Nichts davon funktionierte. Er konnte nachts nicht schlafen und verbrachte viele einsame Stunden damit, in einem völlig dunklen Zimmer zu sitzen und sich immer wieder die gleichen Filme auf Video anzusehen. Er vermißte verzweifelt die Außeneinsätze und den Sinn, den sie seinem Leben gaben. Obwohl sie nicht immer den richtigen Zwecken gedient hatten, waren sie zumindest der Mittelpunkt seines Lebens gewesen, und ohne diesen Mittelpunkt fühlte er sich überflüssig. Sein Leben brauchte wieder einen Inhalt; er mußte wieder das Gefühl haben, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.
Die Lösung fiel ihm schließlich mehr oder weniger zufällig in den Schoß. Ein ehemaliger Caretaker, mit dem er zusammengearbeitet hatte, war in Südkalifornien Sheriff geworden. In seinem Bezirk im Orange County trieb ein Massenmörder sein Unwesen, der seine Opfer allesamt erwürgte, und der alte Kollege bat den Fährmann um Hilfe. Kimberlain zögerte zuerst, doch als er dann an dem Fall arbeitete, konnte er die Fähigkeiten einsetzen, die so lange brachgelegen hatten. Und nun konnte er entscheiden, wie er vorging. Seine Hilfe führte dazu, daß der Mörder gefaßt wurde, und sein Lohn war ein tieferes Verständnis seiner selbst. Er war ein Jäger, und ein Jäger mußte nun einmal auf die Jagd gehen. Er arbeitete auf eigene Faust, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, und brachte einige der verabscheuungswürdigsten und gemeingefährlichsten Verbrecher zur Strecke. Als Kamanski ihn wegen Peet aufsuchte, war er in lediglich einem einzigen Fall nicht weitergekommen – bei der Suche nach dem zweifellos verheerendsten Killer überhaupt. Ein Mann namens Dreighton Quail, besser bekannt als Der Fliegende Holländer.
Kimberlain war dem Mann, der die Autobahnen des Landes heimsuchte, dicht auf den Fersen gewesen – aber nicht dicht genug. Quail, der Riese ohne Gesicht, war noch immer irgendwo dort draußen. Das Feuer, das sein Gesicht zerstört hatte, hatte zu einem Amoklauf geführt, der letztendlich über einhundert Menschenleben gefordert hatte.
Und wäre er nicht gewesen, wäre vielleicht auch Peet noch in Freiheit. Um diese monströsen Verbrecher zu fassen,
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