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Die Achte Fanfare

Titel: Die Achte Fanfare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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weil es sein Schicksal war, anderen Menschen Schmerzen zu bringen, mit jedem klagenden Stöhnen, jedem letzten Atemzug stärker zu werden. Quail wußte gar nicht, wie groß er war, weder damals noch heute; er begriff nur, daß es viele Türschwellen gab, unter denen er den Kopf einziehen mußte, und Autos, in denen er unmöglich bequem sitzen konnte.
    Mit dem ersten Wagen begann er seine Fahrt kreuz und quer über die Autobahnen und entlegenen Straßen des Landes. Er fuhr nachts und schlief hauptsächlich tagsüber, mied soweit wie möglich die Sonne. Die verbrannten Leichen, die er zurückgelassen hatte, lehrten ihn, daß er all diese Jahre nichts gewesen war, ein Niemand, und nun im Begriff stand, etwas Größeres und Besseres zu werden. Nachdem er getötet hatte, fühlte er sich zum ersten Mal gut, also mußte die Antwort, die er suchte, im Töten liegen, und Quail hieß sie willkommen. Nachts, wenn die Einsamen und Verletzbaren unterwegs waren, auf den Autobahnen fuhren oder sich auf der Suche nach einem Freund oder einer Mitfahrgelegenheit am dunklen Straßenrand zusammenkauerten, tauchte Quail auf. Die Morde, die er beging, wiesen niemals ein bestimmtes Muster auf, abgesehen von dem, das ein anderer Täter schon eingeführt hatte. Er wußte schon lange nicht mehr, wie viele Menschen durch seine Hand umgekommen waren, nur, daß er mit jedem Mord stärker wurde. Er konnte sich ein Leben ohne Töten nicht vorstellen. Das Töten war sein Leben.
    Er hatte vier solche Mordserien mit perfekt nachgeahmten zufälligen Tötungen fortgesetzt, bevor der Fährmann von seiner Existenz erfuhr und die Jagd aufnahm. Kimberlain blieb ihm nicht nur auf der Spur, er hatte sogar Quails Herkunft bis nach Pennsylvania und den holländischen Einwanderern, von denen er abstammte, zurückverfolgt und von dem schrecklichen Feuer erfahren, mit dem alles angefangen hatte. Und als ›Der Holländer‹, wie er mittlerweile genannt wurde, trotz aller Morde in seinem Kielwasser immer wieder entkam, fügte irgendein Journalist das Wort ›Fliegender‹ hinzu und benannte ihn nach dem legendären holländischen Seefahrer, der dazu verdammt war, auf ewig über die Meere zu segeln. Die Straßen der USA waren Quails Meere, und die Vorstellung, ein einziger Mann könne verantwortlich sein für eine landesweite Schreckensherrschaft, bei der sich kein Muster oder Motiv feststellen ließ, war so bizarr, daß Kimberlain die Jagd schließlich praktisch allein fortsetzte. Doch der Fährmann kam ihm immer näher. Quail sah ihn schließlich in jedem Anhalter, in jedem Wagen, an dem er vorbeifuhr.
    Die Konfrontation schien unausweichlich, und Quail dachte schon, sie sei gekommen, als der Schnellimbiß am Straßenrand, den er kurz vor einer Morgendämmerung betreten hatte, mit gut gekleideten Männern überfüllt war. Er schaltete eine ganze Reihe von ihnen aus, doch die anderen überwältigten ihn und brachten ihn in eine andere Stadt und ein Motelzimmer, in der ein ganz in Schwarz gekleideter Mann in den Schatten auf ihn wartete. Der Mann befahl den anderen, sie allein zu lassen. Das imponierte Quail, und dann lobte der Mann in Schwarz Quails Fähigkeiten und Brillanz und sagte, diese Eigenschaften müßten gewürdigt, benutzt, belohnt werden. Der Mann in Schwarz fuhr damit fort, er könne Kimberlain von seiner Spur abbringen und seine Reise kreuz und quer durch das Land beträchtlich erleichtern, ihm Geld und eine sichere Zuflucht zur Verfügung stellen. Er gab Quail eine Telefonnummer, unter der er ständig erreichbar war. Als Gegenleistung sollte Quail für den Mann in Schwarz einige Jobs erledigen, Aufgaben, die andere, denen sie angeboten worden waren, als unmöglich abgelehnt hatten.
    Quail glaubte nicht an das Unmögliche. Und der Mann in Schwarz bot ihm die Gelegenheit, endlich zu beweisen, daß er viel, viel mehr war als nur ein Nichts.
    Nachdem der Fliegende Holländer den ersten Job für den Mann in Schwarz erledigt hatte, rief er jeden zweiten Tag eine Telefonnummer an. Wenn seine Dienste benötigt wurden, nannte eine Stimme auf einem Anrufbeantworter ihm eine andere Nummer, über die er dann genaue Einzelheiten erfuhr. Quail schätzte die Legitimität, die der Mann in Schwarz seinem Dasein gab, und auch die schon längst überfällige Anerkennung seiner Fähigkeiten. An seiner Anonymität störte ihn nur, daß Winston Peet damit weiterhin als der bekannteste, ergo auch größte Massenmörder galt. Wie unfair! Peet hatte höchstens siebzehn

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