Die Achte Fanfare
Dutzend zu tun hatte.
Er wußte, daß seine Zeit begrenzt war. Die Schreie hatten bestimmt die Aufmerksamkeit der Wachen auf dem Hof erregt, die mittlerweile wahrscheinlich schon gemeldet hatten, daß etwas nicht in Ordnung war. Doch die nächtlichen Winde waren seine Verbündeten; sie verhinderten, daß man die Richtung feststellen konnte, aus der die Schreie gekommen waren. Im Einklang mit diesen Winden lief der ›Fliegende Holländer‹ zum Tor.
Lisa warf die vier Riegel an der schweren Holztür zurück. Sie zog sie auf und stellte fest, daß sich der riesige Chaney von seinem Schemel erhoben hatte. Er hatte die Ohren gespitzt.
»Ich dachte, ich hätte einen Schrei gehört«, sagte sie, nichts darum gebend, daß er sie in dem dünnen Nachthemd sah, das sie trug.
»Wahrscheinlich haben Sie sich geirrt. Aber ich überprüfe es.«
»Sie haben es auch gehört. Deshalb sind Sie aufgestanden.«
»Ich habe etwas gehört«, sagte er nur und ging davon.
»Sie gehen doch nicht weit weg?« rief sie ihm nach.
»Ich überprüfe die Sache nur. Bin gleich wieder da. Verriegeln Sie die Tür wieder und öffnen Sie nur mir.«
Lisa wollte ihn bitten, überhaupt nicht zu gehen, doch statt dessen verriegelte sie sich wieder hinter einer fünfundzwanzig Zentimeter dicken Holztür, die nicht einmal eine Granate aufsprengen konnte, und redete sich ein, in Sicherheit zu sein.
Quail wollte den Hof nicht durch das Tor betreten. Wenn die verbleibenden Wachen die Schreie gehört hatten, würden sie sich dort zusammenfinden, und es wäre besser, den Hof auf eine andere Art und Weise zu betreten und sich dann von hinten an sie anzuschleichen. Es kam nur darauf an, daß sie sich nicht zusammentaten. Hundert Mann konnte man so genauso leicht töten wie einen einzigen; sie durften nur nicht wissen, daß sie einer nach dem anderen erledigt wurden.
Als er sich gerade, zehn Meter vom Tor entfernt, in Bewegung setzen wollte, erregte der Lichtschein von zwei Taschenlampen seine Aufmerksamkeit. Eine befand sich am Tor selbst, die andere auf halber Strecke zwischen dem Tor und dem Haus; sie kam schnell näher.
»He, was geht da draußen vor?«
Der erste Wachposten hatte die Frage gestellt, ein großer Mann in dunkler Kleidung, der nun vorsichtig die Straße entlangging.
»He, haben Sie mich nicht gehört, oder was?«
Der Mann beschleunigte seine Schritte, als habe Quails Schweigen seinen Verdacht erregt. Der Holländer krümmte die Schultern, um kleiner zu wirken. Als das Licht der Taschenlampe auf seine Gestalt fiel, blieb der Wachmann entsetzt stehen. Er griff nach seiner Pistole, doch dieser Augenblick genügte Quail, um ihn anzuspringen. Da er ihn schnell töten mußte, brachte er ihn mit der gleichen Bewegung um, mit der er ihn ins Gebüsch warf. Dann bückte er sich zu der Leiche hinab und hob die Kappe des Mannes auf. Er setzte sie auf, schob sie sich so tief wie möglich ins Gesicht und hielt den Kopf gesenkt, während er, anscheinend taumelnd, auf das Tor zuschritt.
Erneut erwies sich sein Timing als perfekt. Der herbeilaufende Wachmann erreichte das Tor eine Sekunde vor Quail und richtete seine Taschenlampe auf den Rasen, als er seinen vermeintlich verwundeten Kollegen vor dem Tor hin- und hertaumeln sah. Als der Mann nach dem Riegel griff, stieß Quail die Hände durch das Tor und riß den Kopf des Mannes heftig gegen die Gitterstäbe. Er hielt ihn dort fest, damit die Wache nicht schreien konnte, während er eine Hand zurückzog und dem Posten zwei Finger tief in die Kehle stieß, während er mit der anderen Hand bereits zum Riegel griff.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Chaney zu Lisa, als er zurückkam.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»In der Funkzentrale liegt keine Meldung vor. Bei einem Dutzend Wachen draußen wüßten wir schon längst Bescheid, wenn etwas schiefgegangen wäre.«
»Was ist mit den anderen Wachen, den neuen?«
»Sie müßten jeden Augenblick hier sein. Ruhen Sie sich aus, Miß. Außer Langeweile haben Sie nichts zu befürchten.«
Lisa bemerkte, daß das Walkie-talkie jetzt an Chaneys Gürtel hing.
Er folgte ihrem Blick. »So kann ich mit der Zentrale besser Kontakt halten«, erklärte er.
»Was bedeutet, daß Sie nicht mehr von der Tür weichen müssen.«
»Genau das ist Sinn der Sache, Miß.«
20
Quail stellte fest, daß er allein auf dem Hof war, und wußte, daß sich alle anderen Wachen im Haus befanden. Einer von ihnen tat bestimmt in der Funkzentrale Dienst, und die war nun sein
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