Die Achte Fanfare
fragte sie sich, was das für sie bedeutete.
Das Entsetzen in ihr war jetzt mehr als nur ein Gefühl. Es war lebendig und bewegte sich durch Magen und Brust, schlang sich um ihre Lungen, als wolle es ihr den Atem nehmen. Sie stellte plötzlich fest, daß sie mit dem Rücken zur Wand stand, ohne sich daran zu erinnern, sich überhaupt vom Stuhl erhoben zu haben.
Sie mußte selbst etwas unternehmen, und zwar sofort.
Quails nächster bewußter Gedanke war, während er auf die Pistole starrte, daß der Mann, der sie auf ihn richtete, groß war, ein Riese sogar, doch immer noch kleiner als er. Es gelang ihm, die Hand hochzureißen und gegen den heißen Lauf der Pistole zu schlagen. Die Wucht seiner Bewegung überraschte sein Gegenüber und riß ihm die Waffe aus der Hand.
Der Mann schien nur einen Augenblick lang verblüfft zu sein und trat flink zurück, während der Holländer mit der anderen Hand ausholte. Es gelang ihm, den Schlag mit einem glücklichen Heben des Arms abzuwehren, doch Quail wußte, daß die Pistole seine einzige Hoffnung gewesen war, und schickte sich an, ihn zu töten.
Lisa spürte, daß sie jetzt auf sich gestellt war und nur hoffen konnte, daß die Killer nicht wußten, in welchem Raum sie sich befand, und so jedes Zimmer durchsuchen mußten, bevor sie dieses hier in der zweiten Etage erreichten. Sie überlegte kurz, welche Chance sie in den Korridoren hatte, wenn sie eine Flucht durch den Haupteingang versuchte, sah aber davon ab, als ihr klar wurde, daß sie sich auf diese Weise ganz bestimmt ihren Häschern ausgeliefert hätte. Dann fiel ihr das Dach ein. Ob sie darüber fliehen konnte? Nein – der geringste Ausrutscher, und sie würde zwei Stockwerke tief fallen. Die besten Aussichten hatte sie, wenn sie an Ort und Stelle blieb und versuchte, sich ihrer Haut zu wehren. Sie mußte dabei auf alles zurückgreifen, was ihr helfen konnte, während sie sich an die Hoffnung klammerte, daß Hilfe vom Festland unterwegs war.
Doch eins nach dem anderen. Sie hielt den Atem an, entriegelte die schwere Holztür und zog den Schemel, auf dem Chaney gesessen hatte, in ihr Zimmer, damit von außen nichts darauf hinwies, daß sich dieser Raum von den Dutzenden anderen auf dem Gang unterschied. Dann legte sie die Riegel wieder vor und griff nach ihrer Handtasche. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, und durchstöberte sie, während sie ins Badezimmer ging. Da es sich nur um ein Gästezimmer handelte, war der Medizinschrank unter dem Waschbecken nicht besonders gut bestückt, doch einiges konnte ganz nützlich sein.
Am besten für ihre Zwecke geeignet waren eine Dose Lysol-Desinfektionsspray und eine Flasche Drano-Abflußfrei. Sie beeilte sich nun – jetzt kam es auf jede Sekunde an –, schüttete Abflußfrei in zwei Zahnputzbecher aus Plastik und füllte beide zu drei Vierteln mit Wasser.
Es zischte augenblicklich, und ein übler, durchdringender Geruch breitete sich aus. Das Wasser und die Abflußfrei-Kristalle vereinigten sich zu einer gefährlichen Lauge, und sie plazierte die beiden vor sich hin zischenden Becher jeweils im gleichen Abstand zwischen der Tür und dem Fenster auf den Boden. Dann schüttelte sie die Dose Lysol-Spray und stellte sie im Wohnzimmer auf den Schreibtisch. Ihr fiel ein, daß sie auf der Kommode ein Tischfeuerzeug gesehen hatte. Sie stellte es neben das Desinfektionsspray auf den Schreibtisch. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Handtasche. Sie schüttete den Inhalt aus und entdeckte eine Nagelfeile und einen Kugelschreiber. Beides gefährliche Waffen, aber nur im Nahkampf, und wenn es erst dazu kam …
Schritte auf dem Gang! Eher ein Gleiten als ein Schreiten, und es näherte sich direkt ihrer Tür. Lisa hielt die Luft an und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. Im letzten Augenblick schob sie sich die Feile über ihrem Ohr ins Haar und steckte den Kugelschreiber an ihren Gürtel.
Die Schritte auf dem Gang verstummten, und sie trat auf Zehenspitzen zur Tür, in der einen Hand die Lysol-Dose und in der anderen das Feuerzeug. Sie versuchte, ob es auch funktionierte, und sah, wie die Flamme hochsprang, als die Tür nach innen explodierte.
Wie Dominick Torelli es Kimberlain versprochen hatte, ließ er sich, sobald er seine Geschäfte abgeschlossen hatte, von seinem Privathubschrauber zur Insel bringen. Der Chopper hielt auf den St.-Andrew-Sund zu – Crooked Bluff lag schon hinter ihnen –, als der Pilot ihm einen Kopfhörer gab.
»Das ist für
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