Die Achte Fanfare
sechzehn Stunden, um eine Aufgabe zu erledigen, die er für nicht minder wichtig hielt.
Er fuhr mit einem Mietwagen zu einem Privatflughafen im nördlichen Massachusetts, wo er gerade rechtzeitig zur Landung von Dom Torellis Privatmaschine eintraf. Als der Jet dröhnend ausrollte, war er ausgestiegen und stand neben der Landebahn.
»Ich hätte ein größeres Empfangskomitee erwartet«, sagte Torelli von der Gangway aus, bevor er Lisa Eiseman erlaubte, ebenfalls auszusteigen. »Wenn ich klug wäre, würde ich auf der Stelle umkehren und Lisa an einen sicheren Ort bringen.«
»Der einzige sichere Ort wäre der Himmel, und früher oder später hätten Sie keinen Treibstoff mehr. Es gibt noch eine Ebene«, fügte Kimberlain mit dem Gefühl, sich erklären zu müssen, hinzu, »die über all diese Söldner und Green Berets und gedungenen Mörder hinausgeht. Eine Existenzebene, von der nur wenige Menschen wissen und auf der noch weniger arbeiten.«
»Ja«, sagte Torelli mit tiefer, hallender Stimme. »Das sehe ich allmählich auch ein. Hören Sie, ich bin nicht besonders versessen darauf, Lisa im Augenblick einem anderen anzuvertrauen, und Sie sind der einzige, dem ich sie überhaupt geben würde. Sie hat große Angst, und wie ich es sehe, sind Sie wirklich der einzige, der weiß, wie man sie am Leben halten kann, wenngleich Sie das offenbar auf dieser anderen Ebene herausgefunden haben.« Er zögerte, und es fiel ihm sichtlich schwer, die nächsten Worte über die Lippen zu bringen. »Wären Sie gestern abend auf meiner Insel hinter ihr her gewesen, wären die Dinge ziemlich ähnlich verlaufen, nicht wahr?«
»Abgesehen davon, daß sie jetzt tot wäre.«
»Ja, das habe ich mir auch gedacht. Wie ich schon am Telefon sagte, ich habe Erkundigungen über Sie eingezogen. Sehr beeindruckend, doch ich bin überzeugt, nur die Hälfte erfahren zu haben.«
»Die andere Hälfte würden Sie gar nicht wissen wollen, Dom.«
»Vielleicht nicht, aber ich möchte trotzdem helfen. Alles, was in meiner Macht steht, mein Freund. Sie müssen es nur sagen.«
Kimberlain sagte es.
Quintanna stand vor dem schwarzen Vorhang und wartete darauf, daß der Mann dahinter ihn bemerkte. In Gedanken hatte er die Lüge immer wieder formuliert. Es bestand kein Grund, dem Mann die Wahrheit zu sagen, denn die Wahrheit war unbedeutend – wie auch die Lüge. Er konnte das Risiko nicht eingehen, erneut den Mann zu enttäuschen, der ihn so kurz vor das Ziel gebracht hatte, für dessen Verwirklichung er lebte. Der Mann brauchte Quintanna, doch Quintanna brauchte den Mann dringender. Es mußten noch immer Informationen weitergegeben werden, Informationen, die zur Verwirklichung seines Ziels lebenswichtig waren. Wenn der Mann sie ihm aus irgendeinem Grund verweigerte … Nun, Quintanna mußte alles vermeiden, was dazu führen konnte. Das Geheimnis des Mannes und das sichere Wissen um seine Ziele machten ihn zu jemandem, den man fürchten mußte.
Piep … piep … piep …
»Guten Morgen, Mr. Quintanna«, begrüßte die Stimme ihn schließlich.
»Die Frau ist tot«, meldete Quintanna.
Sie erreichten den Maine Turnpike kurz nach Mittag. Lisa, die neben Kimberlain saß, war bereits ruhiger und gefaßter.
»Verraten Sie mir mehr darüber, wohin wir fahren«, verlangte sie.
»Zu einer vollständig eingerichteten Hütte, von der niemand weiß, in der Wildnis im Androscoggin County. Ich habe sie selbst gebaut.«
»Aber nicht Sie werden den Wachhund für mich spielen.«
»Nein«, erwiderte Kimberlain. »Jemand, der genauso gut ist.«
»Dieser Mann von der Insel – Sie wissen, wer er ist, nicht wahr?«
Kimberlain zögerte nicht. »Ja.«
»Ich will es wissen. Ich will alles erfahren, was Sie über ihn wissen.«
»Ich werde es Ihnen sagen, aber später. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren.«
Sie lächelte. »Ich hätte gedacht, Sie wollten es mir nicht sagen.«
»Ich denke nur praktisch. Es hilft Ihnen zu begreifen, womit Sie es zu tun haben und wer Ihr Feind ist.«
»Sie sprechen in der Gegenwart. Sie glauben also, daß er zurückkommen wird.«
»Wenn er Sie finden kann, wird er auch zurückkommen.«
Sie hätte angesichts der Entschiedenheit seiner Antwort beinahe gekichert. »Ich bin solch eine Ehrlichkeit nicht gewöhnt. Sie wissen ja, wie die Geschäftswelt ist.«
»Ich habe Ihnen in Atlanta nichts vorgemacht, und es wäre nicht fair, wenn ich jetzt damit anfangen würde.«
Sie kniff die Augen zusammen und hielt sie kurz
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