Die Achte Fanfare
geschlossen. »Ich habe Sie zuerst nicht sehr gut behandelt. Na ja, ich sah zwar ein, weshalb Sie gekommen waren, doch ich konnte es nicht akzeptieren.«
»Ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen.«
»Das ist es ja. Verstehen Sie, mein ganzes Leben lang wollte ich nie jemandem eingestehen, daß ich nicht alles allein schaffen kann. Deshalb habe ich auch keine Dienstmädchen und keinen Chauffeur. Ich leite am Tag eine Fünfhundert-Millionen-Dollar-Firma und erledige abends den Abwasch. Es hieß immer nur ich, ich allein, und das wurde noch schlimmer, als mein Vater starb. Und jetzt bin ich nur noch nicht tot, weil plötzlich aus dem Nichts jemand in mein Leben getreten ist und mich gerettet hat.«
»Es ist nichts Falsches daran, abhängig zu sein, solange Sie sich genau aussuchen, von wem Sie es sind.«
»Und von wem sind Sie abhängig, Jared?«
»Von einer Menge Leute«, erwiderte er augenblicklich. »Die meisten davon haben viel mit Ihnen gemeinsam. Man hat ihnen übel mitgespielt, und irgendwie erfahren sie, daß es mich gibt und ich ihnen helfen kann. Ich bin von ihnen abhängig, weil sie die einzige Möglichkeit darstellen, wie ich den Schaden wiedergutmachen kann, den ich während einer Phase meines Lebens, die ich am liebsten vergessen würde, angerichtet habe.«
»Das bedeute ich also für Sie«, sagte sie leise.
»Das«, erwiderte er, »und noch viel mehr.«
Die Hütte lag an einer staubigen Straße, die von der Route 121 abwich. Der Wagen holperte und polterte und beanspruchte seine Stoßdämpfer, bis sie den Geist aufzugeben schienen. Die Hütte war als dunkler Fleck zwischen dem herbstlichen Blattwerk auszumachen, verschmolz jedoch so sehr mit der Landschaft, daß man sie kaum bemerkte, auch wenn man sie direkt ansah.
»Ein leistungsstarker Generator sorgt für Strom, und ein Holzofen hält Sie warm«, sagte Kimberlain, als er Lisa zur Tür führte.
Im Innern der Hütte roch es modrig, als sei sie lange nicht mehr benutzt worden. Sie ließen die Mäntel an, während der Fährmann sich um den Ofen kümmerte, Holz auflegte und es anzündete.
»Wann waren Sie zum letzten Mal hier?« fragte Lisa.
»Vor zwei Jahren, vielleicht zweieinhalb.«
Kimberlain füllte den Generator mit Benzin und brachte ihn nach nur kurzer Zeit ans Laufen, während Lisa die Lebensmittel verstaute, die sie unterwegs gekauft hatten. Um drei Uhr morgens prasselte im Kamin und im Holzofen Feuer, und die Temperatur war so weit angestiegen, daß sie ihre Mäntel ausziehen konnten. Peet würde gegen fünf Uhr kommen, und Kimberlain konnte es kaum erwarten, diesen Ort zu verlassen, den er gebaut hatte, um seinen Schmerz über die Jahre bei den Caretakern zu vergessen. Gleichzeitig jedoch tat es ihm leid, sich von Lisa Eiseman trennen zu müssen. Sie setzten sich vor den Kamin, um sich zu wärmen, bevor sie dann noch ein wenig saubermachen wollten.
Lisa brachte ihn dazu, von Quail zu erzählen und wie er ihn kennengelernt hatte. Die Antworten führten zu weiteren Fragen über seine Jahre bei den Caretakern und die Narben, die sie hinterlassen hatten. Alles, was er ihr sagte, hatte er schon öfter erzählt, doch niemals einer einzigen Person bei einem einzigen Gespräch.
Sie hätten sich natürlich nur auf einer rein verbalen Ebene austauschen sollen; Kimberlain hatte nichts anderes erwartet oder geplant, doch er fühlte, wie es anfing, als sich ihre Schultern berührten und er ihre Hand in die seine nahm.
Als er sich zu ihr umdrehte, sah sie zu ihm hoch, und sie umarmten und küßten sich. Lisa wußte in diesem Augenblick, daß sie miteinander schlafen und es ihr gefallen würde, doch sie wollte verzweifelt, daß auch er es genoß. So reizte sie ihn im Bett und drängte ihn, den Höhepunkt hinauszuschieben, um ihn dahin zu bringen, seine wirkliche Natur zu zeigen, von der er meinte, er habe sie besiegt. Sie wußte, daß sie auch diese Seite von ihm ansprechen mußte, wollten sie sich jemals gegenseitig wirklich begehren, und ihre List funktionierte besser, als sie jemals gedacht hätte.
Er erwiderte ihre Leidenschaft mit einer noch viel stärkeren. Seine körperlichen Fähigkeiten waren unglaublich. Um ihm das Vergnügen zu geben, das er brauchte, mußte sie tief in sich hineingreifen, und sie stellte fest; daß dort einiges schlummerte, von dem sie bislang selbst nichts gewußt hatte. Und gleichzeitig spürte sie, wie er alles von seinem Wesen in jede Bewegung legte, seine gesamte Persönlichkeit und Kraft. Seine
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