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Die Achte Fanfare

Titel: Die Achte Fanfare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Land
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passendes Ende fand. Der Unterschied zwischen dem Verrückten und dem geistig Gesunden besteht darin, daß der Verrückte alles, was er will, logisch erklären kann und daher zu viel mehr imstande ist.
    Die Fahrstuhltüren glitten auf, und Kimberlain trat in die Lobby hinaus. Wenn er das alles aufhalten wollte, mußte er so schnell wie möglich mit der Suche nach Benbasset anfangen. Zeus' Leute würden alle Möglichkeiten untersuchen, ausschließen und analysieren. Ein guter Anfang würde sie letztendlich zu einem zufriedenstellenden Ergebnis führen.
    Der Pförtner hielt ihm die Tür auf, und Kimberlain stellte fest, daß es sich um einen anderen Mann handelte als der, an dem er vor noch nicht einmal einer Stunde vorbeigegangen war. Kimberlain wirbelte schon zu dem Mann herum, als mehrere andere aus den Alkoven und Nebenräumen der Lobby hervorsprangen. Mittlerweile hatte er seine Waffe gezogen, doch es gelang dem Pförtner, sie gegen seinen Leib zu drücken, während die anderen Gestalten herbeigelaufen kamen. Der Fährmann spürte, wie ihn ein spitzer Gegenstand in die Schulter traf und stürzte in eine tiefe Dunkelheit.
    In einem schon lange vergangenen Monat …
    Der Verstand hatte sich gerührt, nachdem er um Ruhe gekämpft hatte. Vor langer Zeit, in seinem ersten Leben, hatte er die Ruhe Schlaf genannt, doch jetzt fühlte sie sich nicht mehr wie Schlaf an – eher wie das Gleiten in einen Tagtraum, der nie ein Ende findet. Oft, zu oft, hatte der Tagtraum surreale Visionen dessen präsentiert, was gewesen war, als wolle er den Verstand nun mit Erinnerungen an etwas verhöhnen, das so weit entfernt war, daß es scheinbar niemals existiert hatte. In diesen Erinnerungen gab es noch den Körper, so unvollständig, so völlig hilflos gegen den formlosen Zorn der Menschen.
    Doch der Verstand war nicht hilflos.
    An den Augenblick, in dem sein erstes Leben dem zweiten wich, hatte er praktisch keine Erinnerung – nur ein kurzer Moment der blendenden Hitze und irgendwo tief unten das Gefühl einer Verwandlung, die nicht minder umfassend in ihrer Form wie in ihrer Bedeutung war. Aus dem Leiden des Körpers ging der Verstand hervor. Da er keine Gefühle kannte, fürchtete er nichts. Er war unsterblich, unbesiegbar und suchte nur seinen Daseinszweck. Oftmals, wenngleich anfangs auch nicht oft genug, hielt der Verstand den traumähnlichen Zustand, in den er immer wieder fiel, für seinen Daseinszweck.
    Es mußte Vergeltung geübt werden. Wozu sonst diente seine Existenz? In den Tagträumen konnte er die sehen, die das erste Leben zerstört und die Schmerzen gebracht hatten. Doch nicht seine Schmerzen. Er hatte etwas viel Kostbareres als nur seinen Körper verloren. Der Verstand sah die Gesichter und sehnte sich danach, sie zu berühren. Er fühlte nichts, und doch empfand er Schmerzen, und die einzigen Gedanken, die diese Schmerzen linderten, waren die an Vergeltung. Die Todesbringer würden verschwinden, einer nach dem anderen. Niemand würde verschont werden. Niemand.
    Einen kurzen Augenblick lang dienten diese Gedanken dem Verstand gut. Doch der riesige Umfang der Vergeltung, zu der es bald kommen würde, spiegelte den des Schmerzes wider, den der Verstand nicht aus seinem Dasein zwingen konnte. Er konnte ihn nicht wahrnehmen und nahm ihn doch wahr. Ein Paradoxon. Die Erinnerungen beschworen immer wieder die Gesichter herauf, und vielleicht waren es diese Gesichter, die dem Verstand schließlich zeigten, wie er die Schmerzen lindern konnte.
    Wo der Schmerz eingesetzt hatte, lag auch die Möglichkeit, ihn für immer loszuwerden.
    Ja!
    Ein weiterer Augenblick der blendenden, schrecklichen Hitze, und sie würde den Verstand versengen. Seltsam, wie schnell alles völlig klar geworden war. Er hatte sich mehr ersehnt und damit gleichzeitig mehr bekommen. Etwas zu begehren und etwas zu bekommen waren lediglich die beiden Seiten derselben Münze.
    Der Zorn des Verstandes ließ nach. Er ruhte. Eine Weile.
    Denn Leidenschaft war flüchtig. Die Münze hatte eine dritte Seite, die ihm die Befriedigung erneut verweigerte. Mehr, immer mehr. Jedesmal, wenn sich eine Vision herauskristallisierte, nahm sie noch eine zweite Form an, und die Schmerzen würden erneut aufflammen, anders, aber immer gleich. Schmerzen aus dem ersten Leben, die auf die Welt gelangt waren, die der Verstand für sich geschaffen hatte. Und somit die Antwort. Der Verstand war dem ersten Leben entkommen, doch das erste Leben setzte sich fort. Erneut ein

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