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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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Jahren ihr Glück in Paris, wo sie bei einem Bankier und seiner Frau eine Anstellung fand. Die Gattin, eine Bekannte von Isoldes Tante, hatte einige Jahre zuvor ihr Augenlicht verloren und benötigte den ganzen Tag Betreuung. Isolde hatte leichte Aufgaben zu erfüllen. Sie nahm Diktate von Briefen und sonstiger Korrespondenz auf, las aus Zeitungen und den neusten Romanen vor und begleitete ihre Arbeitgeberin zu Konzerten und in die Oper. Der sanfte Tonfall, in dem Isolde über diese Jahre sprach, verriet Léonie, dass ihre Tante den Bankier und seine Frau gemocht hatte. Durch sie eignete sie sich zudem nützliche Kenntnisse an, was Kultur, Gesellschaft und Mode anging. Den genauen Grund für ihre Entlassung verschwieg Isolde, doch Léonie nahm an, dass ungehöriges Verhalten seitens des Bankierssohns eine Rolle gespielt hatte.
    Was ihre Ehe anging, war Isolde zurückhaltender. Klar war jedoch, dass sie Jules Lascombes Heiratsantrag nicht unbedingt aus Liebe angenommen hatte, sondern dass Notwendigkeit und die Umstände mindestens ebenso ausschlaggebend gewesen waren. Die Verbindung klang eher nach einer Vernunftehe.
    Léonie erfuhr auch etwas mehr über die verschiedenen Vorfälle im Umland, auf die Monsieur Baillard angespielt hatte. Sie hatten in Rennes-les-Bains Unruhe ausgelöst und waren aus keinem ihr ersichtlichen Grund mit der Domaine de la Cade in Verbindung gebracht worden. Isolde wusste nichts Genaues. In den 1870 er Jahren hatte es zudem Anschuldigungen gegeben, in der entweihten Kapelle im Wald seien verwerfliche und unanständige Zeremonien abgehalten worden.
    Als Léonie das hörte, hatte sie Mühe, sich ihre innersten Gefühle nicht anmerken zu lassen. Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, strömte dann zurück, als ihr einfiel, was Monsieur Baillard über Abbé Saunière gesagt hatte, dass nämlich der Pfarrer gerufen worden war, um die Geister des Ortes zu besänftigen. Léonie hätte gern mehr erfahren, aber da auch Isolde die Geschichte nur vom Hörensagen kannte und sie auch erst erfahren hatte, als die Ereignisse schon längere Zeit zurücklagen, konnte oder wollte sie nicht mehr dazu sagen.
    In einem anderen Gespräch erzählte Isolde ihrer Nichte, dass Jules Lascombe im Ort regelrecht als Einsiedler verschrien gewesen war. Seit dem Tod seiner Stiefmutter und seitdem seine Halbschwester fortgegangen war, hatte er allein gelebt und war damit durchaus zufrieden gewesen. Wie Isolde erklärte, hatte er nicht das geringste Verlangen nach Gesellschaft irgendwelcher Art, schon gar nicht nach einer Ehefrau. Doch die Leute in Rennes-les-Bains beäugten seinen Junggesellenstatus zunehmend mit Misstrauen, und Lascombe sah sich irgendwann Verdächtigungen ausgesetzt. So wurden Stimmen im Ort laut, die sich fragten, warum seine Schwester etliche Jahre zuvor das Anwesen fluchtartig verlassen hatte. So sie es denn überhaupt verlassen hatte.
    Laut Isolde nahmen die Gerüchte und Unterstellungen derart zu, dass Lascombe sich schließlich gezwungen sah zu handeln. Im Sommer 1885 legte der neue Gemeindepfarrer von Rennes-le-Château, Bérenger Saunière, Lascombe nahe, dass die Anwesenheit einer Frau auf der Domaine de la Cade hilfreich sein könnte, um die Leute zu beruhigen.
    Ein gemeinsamer Freund machte Isolde in Paris mit Lascombe bekannt. Lascombe gab deutlich zu verstehen, dass er nichts dagegen hätte – es ihm sogar lieb wäre –, wenn seine junge Frau den Großteil des Jahres auf seine Kosten in der Hauptstadt blieb, vorausgesetzt, sie fand sich in Rennes-les-Bains ein, wenn er es wünschte. Léonie schoss die Frage durch den Kopf – obwohl sie nicht so kühn war, sie zu stellen –, ob die Ehe überhaupt je vollzogen worden war.
    Die Geschichte klang pragmatisch und unromantisch. Und wenngleich sie auf viele Fragen, die Léonie in Bezug auf die Ehe ihrer Tante und ihres Onkels beschäftigten, eine Antwort gab, erklärte sie doch nicht, von wem Isolde auf ihrem ersten gemeinsamen Spaziergang mit so großer Zärtlichkeit gesprochen hatte. Bei der Gelegenheit hatte sie eine brennende Leidenschaft durchblicken lassen, wie aus einem Liebesroman. Sie hatte verlockende Einblicke in Erfahrungen gewährt, von denen Léonie nur träumen konnte.
     
    In jenen ersten friedlichen Oktoberwochen blieben die vorhergesagten Unwetter aus. Die Sonne stand strahlend am Himmel, brannte aber nicht zu heiß. Es wehte eine leichte Brise, nichts, was die Ruhe ihrer Tage hätte stören können. Es war eine schöne Zeit, und

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