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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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könnte.
    Sie war Constants erstes Opfer geworden. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu töten, und war danach richtig erschrocken gewesen. Nicht weil er einem Menschen das Leben genommen hatte, sondern weil es so einfach gewesen war. Die Hand am Hals, der Nervenkitzel, als er die Angst in den Augen der Frau sah, sobald sie begriffen hatte, dass die Brutalität ihrer Paarung nur das Vorspiel zu einer sehr viel endgültigeren Inbesitznahme war.
    Ohne seinen betuchten Onkel und dessen gute Beziehungen zur Mairie hätte Constant sich auf die Galeere oder die Guillotine gefasst machen müssen. So jedoch hatten sie einfach nur rasch und umstandslos das Weite gesucht.
    Er hatte viel aus diesem Erlebnis gelernt, nicht zuletzt, dass Geld die Historie umschreiben, das Ende einer jeden Geschichte verbessern konnte. So etwas wie »Tatsachen« gab es nicht, wenn Gold im Spiel war. Constant hatte seine Lehren daraus gezogen. Sein Leben lang band er Freund und Feind gleichermaßen an sich, durch eine Mischung aus Verpflichtung, Schuld und, wenn das nicht reichte, Angst. Erst einige Jahre später begriff er, dass für alle Lehren ein Preis zu zahlen war. Die Frau hatte doch noch Rache geübt. Sie hatte ihm die Krankheit weitergegeben, die seinem Onkel qualvoll das Leben aussaugte und bald auch ihm. Die Dirne war außer Reichweite, seit vielen Jahren unter der Erde, aber er hatte andere an ihrer Stelle bestraft.
    Während er die Brücke hinunterging, dachte er wieder an das lustvolle Vergnügen, das Marguerite Verniers Tod ihm bereitet hatte. Eine Hitzewallung durchströmte ihn. Wenigstens für einen flüchtigen Augenblick hatte sie die Erinnerung an die Demütigung getilgt, die er durch ihren Sohn erlitten hatte. Obwohl schon so viele unter seinen verkommenen Händen ihr Leben ausgehaucht hatten, war das Erlebnis bei einer schönen Frau umso genussvoller für ihn, daran hatte sich nichts geändert. Denn dann lohnte es sich erst richtig.
    Die Erinnerung an die Stunden mit Marguerite in der Rue de Berlin erregte ihn mehr, als ihm lieb war, und Constant lockerte seinen Kragen. Er konnte die berauschende Mischung aus Blut und Furcht förmlich riechen, den unverkennbaren Duft einer solchen Verschmelzung. Er ballte die Fäuste, als er sich an das köstliche Gefühl erinnerte, wie sie sich gewehrt hatte, an den Druck und die Spannung ihres unwilligen Körpers.
    Atemlos trat Constant auf die holprigen Pflastersteine der Rue Trivalle und blieb einen Moment stehen, bis er sich wieder im Griff hatte. Herablassend musterte er das Bild, das sich ihm bot. Die Hunderte, Tausende Francs, die für die Restaurierung der Zitadelle aus dem 13 . Jahrhundert ausgegeben worden waren, hatten das Leben der Menschen im
quartier
Trivalle anscheinend nicht verändert. Es war noch genauso verarmt und heruntergekommen wie vor dreißig Jahren. Barhäuptige, barfüßige Kinder saßen in verdreckten Hauseingängen. Die Mauern aus Ziegeln und Stein neigten sich nach außen, wie von der breiten Hand der Zeit geschoben. Eine Bettlerin, in schmuddelige Decken gehüllt und mit toten leeren Augen, streckte eine schmutzige Hand aus, als er vorbeiging. Er sah nicht einmal hin.
    Er überquerte den Place Saint-Gimer vor der hässlichen neuen Kirche von Monsieur Viollet-le-Duc. Eine Horde Kinder und Hunde lief ihm nach. Sie bettelten um Münzen, boten ihre Dienste als Fremdenführer oder Laufburschen an. Er schenkte ihnen keine Beachtung, bis ein Junge ihm zu nahe kam. Constant verpasste ihm einen so heftigen Schlag mit dem Metallknauf seines Stocks, dass die Wange des Kindes aufplatzte und seine Kumpane die Flucht ergriffen.
    Er kam zu einer schmalen Sackgasse, die nach links abging und an der Festungsmauer der Cité endete. Vorsichtig ging er in die dreckige, rutschige Straße, deren Boden mit einer Schlammschicht in der Farbe von Pfefferkuchen überzogen war. Unrat, das Strandgut des Lebens der Armen, lag überall herum. Papierverpackungen, Tierkot, fauliges Gemüse, das nicht mal die räudigen Hunde noch anrührten. Constant spürte, dass ihm unsichtbare dunkle Augen hinter geschlossenen Fensterläden folgten.
    Vor einem kleinen Haus im Schatten der Mauer blieb er stehen und klopfte mit seinem Gehstock laut an die Tür. Um Vernier und seine Hure zu finden, war er auf die Dienste des Mannes angewiesen, der hier wohnte. Er konnte geduldig sein. Er war bereit, so lange zu warten wie nötig, sobald er sich endgültig davon überzeugt hatte, dass die Verniers in der Gegend

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