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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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widerwillig über das Thema Tarot geredet. Die Frau war auf Draht. Und noch dazu attraktiv.
    »Was? Was weiß sie?«
    Er hörte ein Geräusch und merkte, dass es von seinen Fingern verursacht wurde, die auf den Schreibtisch trommelten. Julian schaute nach unten auf seine Hand, als würde sie nicht zu ihm gehören, zwang sich dann, sie still zu halten.
    In einer abgeschlossenen Schublade seines Schreibtisches lagen die Urkunden der Eigentumsübertragung, die nur noch unterzeichnet und dem Notar in Espéraza zugeschickt werden mussten. Der Junge war nicht dumm. Er wollte nicht auf der Domaine de la Cade bleiben. Er und Hal konnten nicht zusammenarbeiten, genauso wenig, wie er und Seymour es gekonnt hatten. Julian hatte einen angemessenen Zeitraum abgewartet, bevor er mit Hal weiter über seine Pläne sprach.
    »Es war nicht meine Schuld«, sagte er leicht nuschelnd.
    Er sollte noch einmal mit dieser Amerikanerin reden. Sie musste irgendwas über die Original-Bousquet-Karten wissen, wieso sollte sie sonst hier sein? Ihr Auftauchen hatte nichts mit Seymours Unfall oder seinem jämmerlichen Neffen oder den Hotelfinanzen zu tun, das war ihm jetzt klar. Sie war aus demselben Grund hier wie er. Und er hatte nicht die ganze Drecksarbeit gemacht, nur damit irgend so ein amerikanisches Weibsstück hier aufkreuzte und ihm die Karten vor der Nase wegschnappte.
    Er starrte hinaus in den dunklen Wald. Die Dämmerung war hereingebrochen. Julian streckte die Hand aus, schaltete die Lampe an und schrie plötzlich auf.
    Sein Bruder stand direkt hinter ihm. Seymour, wächsern und leblos, so wie Julian ihn in der Leichenhalle gesehen hatte, die Haut im Gesicht zerkratzt von dem Unfall, faltig, die Augen blutunterlaufen.
    Er sprang so heftig von seinem Stuhl hoch, dass der umkippte. Das Whiskyglas flog über das polierte Holz des Schreibtischs.
    Julian wirbelte herum.
    »Du kannst nicht …«
    Da war niemand.
    Er stierte fassungslos, seine Augen huschten durch den Raum in die Schatten, zurück zum Fenster, bis er schließlich begriff. Da war nur sein eigenes fahles Spiegelbild, bedrohlich in der dunklen Scheibe. Es waren seine Augen, nicht die seines Bruders.
    Julian holte tief Luft.
    Sein Bruder war tot. Das wusste er. Er hatte ihm Rufenol in den Drink getan. Er hatte den Wagen zu der Kurve kurz vor Rennes-les-Bains gefahren, hatte Seymour auf den Fahrersitz bugsiert und die Handbremse gelöst. Er hatte gesehen, wie der Wagen in den Fluss stürzte.
    »Du hast mir keine andere Wahl gelassen«, knurrte er.
    Er hob die Augen zum Fenster, blinzelte. Nichts zu sehen.
    Er stieß schnaufend die Luft aus, ein langes, erschöpftes Ausatmen, bückte sich dann und stellte den Stuhl wieder hin. Einen Moment lang stand er da, die Rückenlehne mit beiden Händen umklammernd, die Fingerknöchel weiß, den Kopf gesenkt. Er spürte, wie ihm der Schweiß zwischen den Schulterblättern den Rücken hinunterlief.
    Dann riss er sich zusammen. Er griff nach seinen Zigaretten, er brauchte die Wirkung des Nikotins, um seine Nerven zu beruhigen, und schaute dann wieder hinaus in den schwarzen Wald.
    Die Originalkarten waren noch immer irgendwo da draußen, das wusste er.
    »Beim nächsten Mal«, murmelte er. Er war so nah dran. Er spürte es. Beim nächsten Mal hatte er Glück. Das wusste er.
    Der verschüttete Whisky erreichte die Schreibtischkante und begann, langsam auf den Teppich zu tropfen.

Kapitel 65
    O kay, schießen Sie los«, sagte Meredith. »Wie ist es gelaufen?«
    Hal stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Kurz gesagt, sie sehen keine Veranlassung, die Ermittlungen wiederaufzunehmen. Sie sind zufrieden mit der richterlichen Entscheidung.«
    »Und die lautet?«, hakte sie sanft nach.
    »Tod durch Unfall. Dass Dad betrunken war«, sagte er unverblümt. »Dass er die Kontrolle über den Wagen verloren hat, von der Straße abgekommen und in die Sals gestürzt ist. Dreimal so viel Alkohol im Blut wie erlaubt, heißt es im Laborbericht.«
    Sie saßen an einem Tisch am Fenster. Im Restaurant war so früh am Abend noch nicht viel los, so dass sie reden konnten, ohne Angst haben zu müssen, jemand könnte mithören. Im Licht der flackernden Kerze streckte Meredith ihre Hand über das weiße Tischtuch und legte sie auf seine.
    »Es hat offenbar eine Zeugin gegeben. Engländerin, eine gewisse Dr. Shelagh O’Donnell, die hier in der Gegend lebt.«
    »Das könnte doch hilfreich sein, oder?«
    Hal schüttelte den Kopf. »Sie ist leider keine Augenzeugin. Laut

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