Die achte Karte
Wächter des salomonischen Tempels. Der Tempel wurde 598 vor Christus zerstört. Wenn man die drei Ziffern miteinander addiert – fünf plus neun plus acht – ergibt sich zweiundzwanzig. Ich nehme an, Sie wissen, dass die großen Arkana zweiundzwanzig Karten umfassen?«
»Ja.«
Julian zuckte die Achseln. »Nun denn.«
»Ich vermute, die Zahl kommt noch woanders vor?«
»Der zweiundzwanzigste Juli ist der Feiertag der heiligen Maria Magdalena, der die Kirche geweiht ist. Eine Statue von ihr befindet sich zwischen den Darstellungen der Stationen dreizehn und vierzehn des Kreuzweges. Außerdem ist sie in zwei der drei Buntglasfenster hinter dem Altar dargestellt. Eine weitere Verbindung besteht zu Jacques de Molay, dem letzten Führer der Templer – angeblich sollen die Tempelritter sich auch auf dem Bézu befunden haben, auf der anderen Seite des Tales. Er war der zweiundzwanzigste Großmeister der Armen Ritter Christi vom Tempel Salomos, wie der vollständige Name lautete. Auch die französische Transkription des Rufes Christi am Kreuz –
›Elie, Elie, lamah sabactani‹
– Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen – hat zweiundzwanzig Buchstaben. Damit beginnt auch der zweiundzwanzigste Psalm.«
Das alles war ja ganz interessant, wenn auch ein wenig abstrakt, aber Meredith konnte sich nicht erklären, warum er ihr das erzählte. Nur um ihre Reaktion zu testen? Um herauszufinden, wie viel sie über Tarot wusste?
»Ein letztes Beispiel: Der Priester von Rennes-le-Château, Bérenger Saunière, starb am zweiundzwanzigsten Januar 1917 . Mit seinem Tod ist eine merkwürdige Geschichte verbunden. Angeblich wurde sein Leichnam auf einen Thron gesetzt, auf dem Belvedere seines Anwesens, und die Leute aus dem Dorf sind daran vorbeidefiliert und haben jeder eine Troddel vom Saum seines Gewandes gezupft. Ja, fast wie auf der Darstellung des Königs der Münzen im Waite-Tarot.« Er zuckte die Achseln. »Oder wenn man zwei und zwei addiert, plus die einzelnen Zahlen seines Todesjahres, dann kommt man auf …«
Meredith war mit ihrer Geduld am Ende. »Rechnen kann ich auch«, murmelte sie und wandte sich dann an Hal. »Für wann haben Sie unseren Tisch reserviert?«, fragte sie vielsagend.
»Viertel nach sieben. In zehn Minuten.«
Julian überging die Unterbrechung einfach. »Aber wenn ich den Advocatus Diaboli spielen wollte, würde ich sagen, dass man genauso gut jede beliebige andere Zahl nehmen könnte und stets jede Menge Indizien finden würde, die eine ganz besondere Bedeutung vermuten lassen.«
Er nahm die Weinflasche und beugte sich vor, um Meredith nachzuschenken. Sie hielt die Hand über ihr Glas. Auch Hal schüttelte den Kopf. Julian zuckte die Achseln und goss den restlichen Wein in sein eigenes Glas.
»Muss ja schließlich keiner von uns mehr fahren«, sagte er beiläufig.
Meredith sah, dass Hal die Fäuste ballte.
»Ich weiß nicht, ob mein Neffe es erwähnt hat, Ms. Martin, aber es gibt eine Theorie, die besagt, dass die Kirche in Rennes-le-Château Gestaltungselemente eines Gebäudes aufweist, das einmal hier auf unserem Grundstück stand.«
Meredith zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf Julian zu richten. »Ach ja?«
»In der Kirche befinden sich auffällig viele Darstellungen von Motiven aus dem Tarot«, fuhr er fort. »Der Kaiser, der Eremit, der Hierophant – der, wie Sie vielleicht wissen, in der Bildsprache des Tarot die bestehende Kirche symbolisiert.«
»Ich weiß wirklich nicht …«
Er redete einfach weiter. »Manche sagen, auch der Magier ist angedeutet, möglicherweise in der Gestalt Christi, und natürlich ist auf vier Darstellungen der Kreuzwegstationen ein Turm abgebildet, ganz zu schweigen von dem Tour Magdala auf dem Belvedere.«
»Aber der sieht doch ganz anders aus«, sagte sie, ehe sie sich bremsen konnte.
Julian beugte sich jäh in seinem Sessel vor. »Als was, Ms. Martin?«, fragte er. Sie konnte die Aufregung in seiner Stimme hören, als meinte er, er hätte sie erwischt.
»Jerusalem«, sagte sie, das Erste, was ihr in den Sinn kam.
Er runzelte die Stirn. »Oder vielleicht anders als eine Tarotkarte, die Sie gesehen haben«, sagte er.
Schweigen breitete sich am Tisch aus. Hal zog ein finsteres Gesicht. Meredith hätte nicht sagen können, ob er peinlich berührt war oder die Spannung zwischen ihr und seinem Onkel gespürt hatte und sie falsch interpretierte.
Plötzlich leerte Julian sein Glas in einem Zug, stellte es auf den Tisch und
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