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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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stand auf.
    »Ich lasse euch zwei jetzt allein«, sagte er und lächelte sie an, als hätten sie soeben eine ungemein erfreuliche halbe Stunde miteinander verbracht. »Ms. Martin. Ich hoffe, Sie genießen auch weiterhin Ihren Aufenthalt bei uns.« Er legte seinem Neffen eine Hand auf die Schulter. Meredith sah Hal an, dass er sich beherrschen musste, sie nicht abzuschütteln. »Schaust du bitte kurz bei mir im Arbeitszimmer vorbei, wenn du dich von Ms. Martin verabschiedet hast? Ich müsste ein paar Dinge mit dir besprechen.«
    »Hat das nicht Zeit bis morgen?«
    Julian blickte Hal eindringlich in die Augen. »Nein«, sagte er.
    Hal zögerte, dann nickte er knapp.
    Sie blieben schweigend sitzend, bis Julian gegangen war.
    »Ich weiß nicht, wie man das …«, setzte Meredith an, stockte dann. Regel Nummer eins: niemals Familienangehörige des anderen kritisieren.
    »Wie man das aushält?«, sagte Hal heftig. »Antwort, gar nicht. Sobald ich hier alles geklärt habe, verschwinde ich.«
    »Und sind Sie schon einen Schritt weitergekommen?«
    Meredith sah, wie die Streitlust bei ihm nachließ, als seine Gefühle von Abscheu gegen seinen Onkel in Trauer um seinen Vater umschlugen. Er stand auf, schob die Hände tief in die Taschen und sah sie aus düsteren Augen an.
    »Gehen wir essen, dann erzähle ich Ihnen alles.«

Kapitel 64
    J ulian öffnete eine neue Flasche Whisky und goss sich eine großzügige Menge ein. Dann setzte er sich mit den Karten schwerfällig an seinen Schreibtisch.
    Zweckloses Unterfangen.
    Er hatte das nachgedruckte Bousquet-Tarot viele Jahre lang studiert, immer auf der Suche nach irgendetwas, einem verborgenen Schlüssel oder einem Code, den er vielleicht übersehen hatte. Nach den Originalkarten suchte er schon, seit er ins Aude-Tal gekommen war und zum ersten Mal die Gerüchte über die unentdeckten verborgenen Schätze, die unter den Bergen, den Felsen, ja den Flüssen vergraben sein sollten, gehört hatte.
    Nach dem Kauf der Domaine de la Cade war Julian rasch zu dem Schluss gekommen, dass die Geschichten, die sich um Rennes-le-Château rankten, reiner Schwindel waren und dass der abtrünnige Priester aus dem 19 . Jahrhundert, der im Mittelpunkt der Gerüchte stand – Saunière –, weitaus Materielleres im Sinn gehabt hatte als spirituelle Schätze.
    Dann waren Julian Gerüchte über Tarotkarten zu Ohren gekommen, die angeblich nicht nur die Lage einer einzigen Grabstätte verrieten, sondern möglicherweise auch die des sagenhaften Schatzes des Westgotenreiches.
    Vielleicht ging es dabei sogar um den Schatz des Tempels Salomos, den die Römer im ersten Jahrhundert geraubt hatten und der dann wiederum den Westgoten in die Hände gefallen war, als diese im Jahre 410  Rom einnahmen.
    Die Karten sollten irgendwo auf dem Anwesen versteckt sein. Julian hatte jeden Penny in systematische Suchaktionen und Ausgrabungen investiert, die an der Ruine der westgotischen Grabkapelle begannen und sich von dort aus immer weiter ausdehnten. Das Gelände war unwegsam, und die Arbeit extrem kostspielig.
    Doch ohne Erfolg.
    Als sein Kredit bei der Bank erschöpft war, hatte er angefangen, Geld aus dem Hotelbetrieb abzuzweigen. Von Vorteil war, dass die Gäste – zumindest teilweise – bar bezahlten. Aber es war auch ein hartes Geschäft mit hohen Fixkosten. Das Hotel steckte noch in den Kinderschuhen, als die Bank die Darlehen kündigte. Trotzdem zog er weiterhin Geld ab – spekulierte darauf, dass er bald finden würde, wonach er suchte, und dass dann alles gut wäre.
    Julian leerte das Glas in einem Zug.
    Nur eine Frage der Zeit.
    Sein Bruder war schuld. Seymour hätte Geduld haben müssen. Hätte ihm vertrauen sollen. Sich nicht einmischen. Er wusste, dass er nah dran war.
    Ich hätte das Geld zurückgezahlt.
    Er nickte sich selbst zu, zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief. Julian hatte bei der Polizei in Couiza angerufen, kurz nachdem Hal dort gewesen war. Der Kommissar hatte angedeutet, dass es besser wäre, wenn der Junge aufhörte, Fragen zu stellen. Julian hatte versprochen, ein Wörtchen mit Hal zu reden, und den Kommissar für die kommende Woche auf einen Drink eingeladen.
    Er griff nach der Flasche, goss sich wieder zwei Fingerbreit davon ein. Dann ließ er das Gespräch in der Bar noch einmal Revue passieren. Er hatte sich absichtlich plump verhalten, alles andere als feinfühlig, aber es hatte gereicht, um der Amerikanerin ein wenig auf den Zahn zu fühlen. Sie hatte nur

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