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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Mosse
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gerissen.
    Léonie blieb stehen und schaute geradeaus. Vor ihr erhob sich eine steile Wand, die ihr wie eine Barriere den Weg versperrte. Direkt über ihrem Kopf war eine natürliche Plattform, fast wie eine Brücke, die über das Stück Land ragte, auf dem sie stand. Und auf einmal erkannte Léonie, dass sie in einem trockenen Flussbett stand. Einst hatte ein reißender Sturzbach, der von den alten keltischen Quellen weiter oben in den Bergen herabrauschte, diese tiefe Senke in den Hang gegraben.
    Monsieur Baillards Worte fielen ihr ein.
    Dort verborgen, wo der Fluss versiegt, an einem Ort, wo einst die alten Könige bestattet wurden.
    Léonie ließ die Augen schweifen, suchte nach irgendetwas Ungewöhnlichem, betrachtete die Form des Bodens, die Bäume, das Unterholz. Ihr Blick blieb an einer leichten Vertiefung im Untergrund hängen. Daneben war ein flacher grauer Stein, halb versteckt unter den verschlungenen Ästen und Wurzeln eines wilden Wacholderbuschs.
    Sie ging hinüber und hockte sich hin. Sie streckte den Arm aus, zog das verhedderte Unterholz hervor und spähte in den feuchten grünen Hohlraum bei den Wurzeln. Jetzt konnte sie erkennen, dass dort ein Ring aus Steinen lag, acht insgesamt. Sie schob die Hände durch die Äste, wobei sie sich die Spitzen ihrer Handschuhe mit grünem Dreck und Schlamm besudelte, und versuchte, nachzusehen, ob unter den Steinen etwas versteckt lag.
    Der größte ließ sich schnell anheben. Léonie wippte zurück auf die Fersen und legte sich den Stein auf den Schoß. Auf der Oberfläche war eine Zeichnung mit Teer oder schwarzer Farbe, ein fünfzackiger Stern in einem Kreis.
    Jetzt brannte sie darauf, herauszufinden, ob sie tatsächlich per Zufall auf das Versteck mit den Tarotkarten gestoßen war, und sie legte den Stein beiseite. Mit einem Stück Holz grub sie um den Rand der anderen herum, schob die gelockerte Erde weg. Sie sah ein Stück dicken Stoff unter dem Dreck und erkannte, dass es von den Steinen festgehalten wurde.
    Sie grub weiter, benutzte das Stück Holz wie eine Schaufel, kratzte an den Steinen entlang, bis sie den Stoff schließlich wegzerren konnte. Darunter tat sich ein kleines Loch auf. Aufgeregt stieß sie hinein, versuchte herauszulösen, was darin vergraben war, fegte Erde, Würmer und schwarze Käfer weg, bis sie auf etwas Festes stieß.
    Kurz darauf kam eine schlichte Holzkiste mit Metallgriffen an beiden Seiten zum Vorschein. Léonie packte die Griffe mit ihren schmutzigen Handschuhen und zog. Der Boden sträubte sich, loszulassen, doch Léonie zog und zerrte, bis er schließlich mit einem nassen, schmatzenden Laut seinen Schatz hergab.
    Heftig schnaufend schleifte Léonie die Kiste aus der Vertiefung zu einer trockenen Stelle und stellte sie auf das Stoffstück. Sie opferte ihre Handschuhe, um die Oberfläche sauber zu wischen, dann hob sie langsam den Holzdeckel an. Im Innern der Truhe war ein weiteres Behältnis, eine Metallschatulle, wie die, in der M’man ihre größten Kostbarkeiten aufbewahrte.
    Sie nahm die Schatulle heraus, klappte die Kiste zu und stellte das Metallbehältnis auf den Deckel. Es war mit einem winzigen Vorhängeschloss versehen, das zu Léonies Verwunderung offen war. Behutsam hob sie den Deckel an, Zentimeter für Zentimeter. Er knarrte, gab aber leicht nach.
    Das Licht unter den Bäumen war schwach, und das, was in der Schatulle lag, war dunkel. Doch schließlich meinte sie, ein Päckchen zu erkennen, etwas, das in dunkles Tuch eingeschlagen war und bei dem es sich von der Größe und Form her durchaus um die Karten handeln konnte. Nachdem sie sich die feuchten Hände an ihren sauberen, trockenen Unterröcken abgewischt hatte, schlug sie die Ecken des Tuchs zurück.
    Sie blickte auf die Rückseite einer Spielkarte, größer als diejenigen, die sie sonst kannte, bemalt mit einem satten Waldgrün und verziert mit wirbelnden Mustern aus filigranen silbernen und goldenen Linien.
    Léonie hielt inne und nahm ihren Mut zusammen. Sie atmete einmal tief durch, zählte im Kopf bis drei und drehte die oberste Karte um.
    Das seltsame Bild eines dunklen Mannes in einer langen roten, mit Quasten besetzten Robe starrte zu ihr herauf. Er saß auf einem Thron auf einem steinernen Turm, und die Berge im Hintergrund schienen ihr irgendwie vertraut. Sie las die Beschriftung am unteren Rand: Le Roi des Pentacles.
    Bei genauerem Hinsehen kam ihr der König irgendwie bekannt vor. Dann wusste sie, wieso. Das Bild stellte den Geistlichen dar, der

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