Die achte Karte
lediglich, bevor wir anfangen, ich biete Ihnen mit meiner Deutung Anhaltspunkte dafür, was geschehen kann, nicht dafür, was geschehen wird.«
»Okay.«
Laura legte das Kartenpäckchen zwischen ihnen auf den Tisch. »Mischen Sie die Karten gut, Meredith. Ganz in Ruhe. Und während Sie das tun, denken Sie an das, was Sie am ehesten herausfinden wollen, was Sie heute hierhergeführt hat. Manche Menschen finden es hilfreich, dabei die Augen zu schließen.«
Ein leichter Luftzug kam durch das offene Fenster herein, eine Wohltat nach der drückenden Schwüle. Meredith nahm die Karten und begann zu mischen, und während sie sich der eintönigen Bewegung hingab, wich die Gegenwart langsam aus ihren Gedanken.
Erinnerungsfragmente, Bilder und Gesichter in Sepia- und Grautönen stiegen in ihr auf und verflogen wieder. Ihre schöne, verletzliche, kaputte Mutter. Ihre Großmutter Louisa am Klavier. Der ernst dreinblickende junge Mann in Militäruniform auf dem Foto.
Die ganze Familie, die sie nie gekannt hatte.
» OK . Wenn Sie fertig sind, öffnen Sie die Augen.« Lauras Stimme klang jetzt sehr fern, gehört und doch nicht gehört, wie Musik, nachdem die letzte Note verklungen ist.
Meredith blinzelte, als der Raum wieder auf sie eingestürmt kam, zuerst verschwommen, dann irgendwie heller als zuvor.
Für einen Moment hatte Meredith das Gefühl, schwerelos zu sein. Der Tisch, die beiden Stühle, die Farben, sie selbst, sie nahm alles aus einer anderen Perspektive wahr.
»Legen Sie jetzt die Karten auf den Tisch und teilen Sie sie mit der linken Hand in drei Stapel.«
Meredith tat wie geheißen.
»Packen Sie die Karten wieder zusammen, zuerst den mittleren Stapel, dann den oberen, dann den unteren.« Sie spürte, wie Laura wartete, bis sie fertig war. »Okay, die erste Karte, die Sie ziehen werden, nennen wir den Signifikator. Bei dieser Sitzung wird diese Karte Sie repräsentieren, die Fragende. Das Geschlecht der Figur auf der Karte ist wichtig, weil jede Karte archetypische männliche und weibliche Qualitäten und Wesenszüge in sich trägt.«
Meredith zog eine Karte aus der Mitte des Stapels und legte sie mit dem Gesicht nach oben vor sich hin.
»La Fille d’Epées«, sagte Laura. »Die Tochter der Schwerter. Schwerter sind die Farbe der Luft, wissen Sie noch, des Intellekts. Im Bousquet-Tarot ist die Tochter der Schwerter eine mächtige Figur, eine Denkerin, stark. Gleichzeitig ist sie jemand, der möglicherweise keine richtige Verbindung zu anderen hat. Das mag an ihrer Jugend liegen – die Karte bezieht sich oft auf eine junge Person – oder an getroffenen Entscheidungen. Manchmal bezieht sie sich auf jemanden, der am Beginn einer Reise steht.«
Meredith betrachtete das Bild auf der Karte. Eine schlanke, zierliche Frau in einem knielangen roten Kleid mit glattem schulterlangem schwarzem Haar. Sie sah aus wie eine Tänzerin. Sie hielt das Schwert mit beiden Händen, weder drohend noch verteidigend, sondern eher so, als beschütze sie etwas. Hinter ihr ragte ein zerklüfteter Berggipfel in einen strahlend blauen, mit weißen Wolken betupften Himmel.
»Es ist eine aktive Karte«, sagte Laura, »eine positive Karte. Eine der wenigen eindeutig positiven Schwertkarten.«
Meredith nickte. Das sah man.
»Ziehen Sie die nächste Karte«, sagte Laura, »und legen Sie sie von Ihnen aus gesehen links unterhalb von La Fille d’Epées. Die zweite Karte bezeichnet Ihre jetzige Situation. Die Umgebung, in der Sie derzeit arbeiten oder leben, die Einflüsse, die auf Sie einwirken.«
Meredith legte die Karte wie geheißen hin.
»Die Zehn der Kelche«, sagte Laura. »Kelche sind die Farbe des Wassers, der Gefühle. Auch das ist eine positive Karte. Zehn ist eine Zahl der Vollkommenheit. Sie markiert das Ende eines Zyklus und den Beginn eines neuen. Sie deutet an, dass Sie an einer Schwelle stehen, dass Sie bereit sind, Dinge hinter sich zu lassen und etwas an Ihrer derzeitigen Situation zu ändern, die bereits von Erfüllung und Erfolg gekennzeichnet ist. Es ist ein Hinweis darauf, dass sich Veränderungen anbahnen.«
»Was für eine Schwelle?«
»Das könnte sich auf Ihre Arbeit beziehen oder auf Ihr Privatleben, beides. Die Dinge werden im Laufe der Sitzung klarer werden. Ziehen Sie bitte die nächste.«
Meredith zog eine dritte Karte aus dem Stapel.
»Legen Sie sie rechts unterhalb des Signifikators«, wies Laura sie an. »Sie steht für mögliche Hindernisse auf Ihrem Weg. Dinge, Umstände oder gar Menschen,
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